Sensibilisierende Wirkung von Fremdstoffen

A. Sonnenburg, R. Stahlmann, M. Peiser

Den kompletten Artikel können Sie in unserem "Handbuch der Umweltmedizin" nachlesen.

Zusammenfassung

Überempfindlichkeitsreaktionen werden nach ihrem Pathomechanismus in vier Subtypen unterteilt. Ein gemeinsames Merkmal aller Subtypen ist eine klinisch stumme Sensibilisierungsphase nach dem Erstkontakt mit einer allergenen Substanz.

Zu den neben Typ I häufigsten allergischen Reaktionen zählt die Typ-IV-Allergie, die auch Spättyp oder Allergie vom verzögerten Typ genannt wird. Anders als die anderen Überempfindlichkeitsreaktionen ist diese direkt durch T-Zellen vermittelt. Diese Allergie wird insbesondere durch Fremdstoffe ausgelöst und betrifft die Kontaktstelle mit dem Allergen; am häufigsten ist die Haut betroffen – es kommt z. B. durch Kosmetikinhaltsstoffe zur allergischen Kontaktdermatitis.

Die OECD hat einen sog. Adverse Outcome Pathway (AOP) vorgestellt, in dem der Pathomechanismus der Sensibilisierung durch Hautkontakt systematisiert wird. Der AOP enthält ein initiales molekulares Ereignis (molecular initiating event), ohne das die weitere Pathogenese nicht möglich ist, und weitere zellbiologische und molekulare Schritte, die als Schlüsselereignisse (key events) bezeichnet werden und hierarchisch organisiert sind. Die sog. Haptenisierung eines Fremdstoffes nach Kontakt mit der Haut ist das initiale molekulare Ereignis. Allergene Fremdstoffe binden kovalent an nukleophile Zentren körpereigener Proteine und bilden so den Hapten-Protein-Komplex. Dadurch kommt es zu einer Aktivierung von Keratinozyten (key event 1). Die Keratinozytenaktivierung ist vermittelt über das Inflammasom, das proinflammatorische Zytokine und Chemokine freisetzen kann und damit dendritische Zellen rekrutiert. Die Hapten-Protein-Komplexe werden von dendritischen Zellen erkannt und unspezifisch oder über Rezeptoren aufgenommen. Es erfolgt die Prozessierung (Zerlegung) und Bindung von Peptidfragmenten an die Bindungsfurche des MHC-II (major histocompatibility complex II). Dieser MHC-II-Peptidkomplex wird nun auf der Oberfläche der dendritischen Zellen präsentiert (key event 2). Die so aktivierten dendritischen Zellen wandern in den nächstgelegenen Lymphknoten, wo sie wiederum naive T-Zellen mit passendem T-Zell- Rezeptor binden und dadurch aktivieren. Dabei sind verschiedene Rezeptoren und passende Liganden auf T- und dendritischen Zellen sowie Zytokine beteiligt. Derart aktivierte T-Zellen teilen und differenzieren sich. Es bilden sich Antigen-spezifische Gedächtnis-T-Zellen, die bei erneutem Allergenkontakt sofort aktiviert werden können und dann für die Ausbildung der klinischen Symptome der Kontaktallergie verantwortlich sind.

Typische Kontaktallergene sind Metallallergene wie Nickel und Chrom, bestimmte Konservierungsstoffe, wie etwa Methylisothizolinon, (vor allem dunkle) Dispersionsfarben, aber auch natürliche Duftstoffe und ätherische Öle.

In der Europäischen Union müssen Pflanzenschutzmittel, Biozide und alle REACH-Chemikalien, deren jährliches Produktionsvolumen eine Tonne überschreitet, auf ihr kontaktsensibilisierendes Potenzial getestet werden. Es existieren inzwischen verschiedene OECD-validierte Testmethoden, die einzelne Schritte des AOP für Hautsensibilisierung erfassen. Validierte Testmethoden sind zum Beispiel DPRA, Lusens und h-CLAT. Diese erfassen das molekulare initiierende Ereignis (DPRA) und die beiden ersten Schlüsselereignisse (Keratinozytenaktivierung [Lusens] und Aktivierung von dendritischen Zellen [h-CLAT]). Es ist jedoch nur dann möglich, den Tierversuch vollständig durch In-vitro-/In-chemico-Methoden zu ersetzen, wenn mehrere Testsysteme in einer Testbatterie kombiniert eingesetzt werden. Um eine standardisierte Interpretation der Ergebnisse einer solchen Testbatterie zu ermöglichen, wurden sog. defined approaches entwickelt und in die 2022 erschienene OECD-Testrichtlinie 497 aufgenommen. Hautsensibilisierung ist einer der ersten Endpunkte in der Chemikalien-, Biozid- und Pestizidtestung, für den ausschließlich Alternativmethoden zum Tierversuch als First-choice-Testmethode eingesetzt werden sollen.

Weitere aktuelle Forschungsansätze betreffen die Entwicklung von Testbatterien, die auch das letzte Schlüsselereignis des AOP, die Aktivierung von T-Zellen, einbeziehen.

Zitierweise:

Sonnenburg A, Stahlmann R, Peiser M (2023). Sensibilisierende Wirkung von Fremdstoffen. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg.), Handbuch der Umweltmedizin, 75. Erg.-Lfg. 4/23. ecomed Medizin, Landsberg

Wichmann / Fromme / Zeeb

Toxikologie - Epidemiologie - Hygiene - Belastungen - Wirkungen - Diagnostik - Prophylaxe

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