B. Brenner, S. Walser-Reichenbach, S. Heinze, C. Herr
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Zusammenfassung
Für die biologischen Wirkungen von elektromagnetischen Feldern (EMF) des Mobilfunks und damit auch für die Wirkungen der Felder auf den Menschen ist die Funk-Frequenz, die Sendeleistung der Funkzellen und der Abstand des Körpers von der jeweiligen Mobilfunkantenne relevant. Die bislang einzige wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung im Frequenz- und Leistungsbereich des Mobilfunks ist die Energieabsorption (SAR), die im Körpergewebe sehr heterogen ist und eine Gewebeerwärmung bewirkt. Inwieweit über den thermischen Wirkmechanismus in Bereichen des Gehirns temperaturempfindliche Neurone aktiviert werden und eine Aktivierung Relevanz für die Thermoregulation und den Energiestoffwechsel haben, ist bislang nicht geklärt. Hinweise auf Veränderungen im zellulären oxidativen Gleichgewicht nach Exposition gegenüber EMF werden derzeit vom BfS in einem systematischen Review zusammengefasst und bewertet. Zu Einflüssen der Felder auf das EEG, kognitive Funktionen, Schlaf, Puls und Blutdruck liegen keine konsistenten Ergebnisse zu nachteiligen Effekten auf die Gesundheit vor, sofern die geltenden Grenzwerte eingehaltenwerden. Ein Zusammenhang zwischen EMF und Elektrosensibilität wurde nicht beobachtet. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Müdigkeit durch Mobilfunkfelder verursacht werden. Auf ein erhöhtes Risiko für Hirntumore deuten weder die Ergebnisse aus Tierversuchen noch die Resultate für den Menschen wie der epidemiologischen INTERPHONE- Studie hin, abgesehen von einer kleinen Untergruppe mit intensiver Handynutzung. Aufgrund der begrenzten Hinweise aus der INTERPHONE-Studie und der unsicheren Datenlage hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO hochfrequente elektromagnetische Felder, wie sie u. a. der Mobilfunk nutzt, 2011 als „möglicherweise krebserregend“ (Gruppe 2B) eingestuft. Diese Bewertung bezieht sich ausschließlich auf Tumoren im Kopfbereich und auf die Nutzung von Mobiltelefonen, nicht auf Feldimmissionen von Mobilfunk-Basisstationen. Ein erhöhtes Risiko für andere Krebsarten oder für Krebserkrankungen im Umkreis von Basisstationen kann für den gegenwärtig verwendeten Frequenzbereich aller Standards weitestgehend ausgeschlossen werden. Unsicherheiten in der Risikobewertung betreffen insbesondere mögliche gesundheitliche Risiken bei intensiver Handynutzung über mehr als 10 Jahre sowie die Frage, ob Kinder möglicherweise empfindlicher reagieren als Erwachsene. Die internationale Fall-Kontroll-Studie namens MOBI-KIDS aus dem Jahr 2022 lieferte bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen keine Evidenz für ein erhöhtes Hirntumor-Risiko durch die Nutzung von Mobiltelefonen bzw. schnurlosen Heimtelefonen. Die britische prospektive Beobachtungsstudie, die Million-Women-Studie aus dem Jahr 2022, hat für Hirntumore auch keine signifikanten Assoziationen für die tägliche Nutzung von Mobiltelefonen oder für die Verwendung von Mobiltelefonen seit mindestens 10 Jahren gefunden.
Zur Bewertung des Gesundheitsrisikos der elektromagnetischen Felder des Mobilfunks können derzeit mehr als 2500 wissenschaftliche Artikel herangezogen werden – darunter rund 1500, die sich auf experimentelle oder epidemiologische Studien beziehen. Der Mobilfunk gehört damit zu den am umfangreichsten untersuchten Umweltexpositionen. Im Mobilfunk sowie bei vergleichbaren Funkanwendungen wie z. B. Radar, wird der für die etablierten GSM-, UMTS-, LTE- und 5G-Netze genutzte Frequenzbereich (700 MHz bis 3600 MHz) seit über 20 Jahren eingesetzt. Für bestimmte Anwendungsbereiche, hauptsächlich in der Industrie, werden auch Bänder von 24 GHz bis 80 GHz (Millimeterwellen) verwendet. Vor Inbetriebnahme einer Basisstation wird grundsätzlich sichergestellt, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (26. BImSchV) eingehalten werden. Die Grenzwerte gewährleisten, dass kein Schwellenwert für thermische Wirkungen überschritten wird. Die Immissionen der Felder, die von der nächstgelegenen Funkzelle/ Basisstation ausgehen, liefern im Vergleich mit denen der körpernahen Endgeräte (Handy/Smartphone, DECT-Handtelefon, Notebook/Tablet) im Allgemeinen einen wesentlich niedrigeren Beitrag zur Feldexposition des Mobilfunknutzers. Die persönliche Gesamtexposition wird somit weniger durch die Basisstationen, sondern in der Regel durch das eigene Endgerät dominiert. In einem engmaschigen Mobilfunknetz sorgt der geringe Abstand der Funkzellen bzw. Antennen i. d. R. für eine gute Verbindung mit niedrigen Sendeleistungen. Auch durch den Einsatz moderner Mobilfunktechnik wie 5G können sich die Feld-Immissionen reduzieren. Ob und inwieweit sich mit der höheren Dichte an Mobilfunkstationen einschließlich der 5G-Funkzellen die Feldimmissionen für die Allgemeinbevölkerung reduzieren, ist noch nicht untersucht.
Zitierweise:
Brenner B, Walser-Reichenbach S, Heinze S, Herr C (2022). Mobilfunk. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg.), Handbuch der Umweltmedizin, Kap. VII-2.1.4, 74. Erg.-Lfg. ecomed Medizin, Landsberg
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