H.-E. Wichmann
Den kompletten Artikel können Sie in unserem "Handbuch der Umweltmedizin" nachlesen.
Zusammenfassung
Radon ist eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs in der Bevölkerung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass Radon in Wohnungen weltweit für 3–14 % aller Lungenkrebserkrankungen eines Landes verantwortlich ist, abhängig von der Prävalenz des Rauchens.
Radon ist ein natürlich und ubiquitär vorkommendes radioaktives Edelgas, das innerhalb der Zerfallsreihen langlebiger, in Gesteinen und Böden enthaltener Uran- und Thoriumnuklide entsteht. Der weitere radioaktive Zerfall führt zur Freisetzung von Alphastrahlen. Hohe Aktivitätskonzentrationen von Radon und seinen Zerfallsprodukten sind im Uranbergbau, in Heilstollen und Radonbädern zu finden. Durch Übertritt des Radongases aus dem Untergrund können in Häusern teilweise hohe Radonkonzentrationen auftreten. Demgegenüber ist die Konzentration in der Außenluft niedrig. Die inhalative Aufnahme führt zu einer Belastung des Bronchialepithels durch die freigesetzte Alphastrahlung des Radons und seiner Zerfallsprodukte. Die Dosen für die übrigen Organe und Gewebe sind gering. Bei beruflicher Belastung durch die Exposition gegenüber Radon und seinen Zerfallsprodukten bei Uranbergarbeitern besteht ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko, wie dies z. B. in Deutschland für die Mitarbeiter der Wismut AG in Thüringen und Sachsen nachgewiesen wurde. Die Expositions-Wirkungs-Beziehungen zeigen einen linearen Zusammenhang. Hierbei ist bei gleicher kumulativer Belastung eine lange Exposition mit einer niedrigen Konzentration gefährlicher als eine kurze Exposition mit einer hohen Konzentration. Für die Bevölkerung wurde in umfangreichen epidemiologischen Studien gezeigt, dass ein radonbedingtes Lungenkrebsrisiko in Wohnungen besteht, wobei auch hier eine lineare Expositions-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert angenommen werden kann. Als beste Abschätzung ist ein Anstieg des relativen Risikos um 16 % pro 100 Bq/m³ in Wohnungen anzusehen. Das bedeutet für Deutschland, dass ca. 5 % aller Lungenkrebstodesfälle Radon zuzuordnen ist. Damit ist auch bei uns Radon nach dem Rauchen eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs. Ferner ist wichtig, dass Radon und Rauchen sich multiplikativ verstärken. Es gibt detaillierte Empfehlungen für die Reduktion des Risikos. Bei Neubauvorhaben führt die Verwendung
von radondichten Schutzfolien zuverlässig zum Erfolg, und der Aufwand ist selbst in Gebieten mit hoher Radonkonzentration in der Bodenluft verhältnismäßig gering. Die Sanierung bestehender Gebäude erfordert eine auf den Einzelfall bezogene technische Lösung. Für Deutschland werden durch
die Bundesländer seit kurzem Radon-Vorsorgegebiete festgelegt. Dort gelten besondere Anforderungen an den Schutz vor Radon für Neubauten und am Arbeitsplatz. Auch wenn Radon nachweislich eines der wichtigsten Umweltkanzerogene darstellt, spielt es in der öffentlichen Wahrnehmung – vor allem in Deutschland – nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Das mag zum Teil daran liegen, dass Radon auf natürlichem Weg entsteht, wobei aber offenbar übersehen wird, dass es erst durch die erhebliche Anreicherung in Häusern seine große Bedeutung erlangt. Diese nimmt durch immer bessere Isolation der Wohnhäuser und längere Aufenthaltszeiten in Innenräumen weiter zu.
Die WHO empfiehlt einen Referenzwert von 100 Bq/m³. Für Deutschland wird demgegenüber durch
das Strahlenschutzgesetz ein Referenzwert von 300 Bq/m³ festgelegt, was aus umweltmedizinischer
Sicht unbefriedigend ist. Immerhin gibt es kleine Fortschritte wie die Ausweisung von Radon-Vorsorgegebieten, aber esmuss sich erst noch zeigen, inwieweit die verfügbaren Instrumente der Prävention durch bauliche Vorgaben bei Neubauten oder der Sanierung belasteter Gebäude zukünftig tatsächlich eingesetzt werden.
Zitierweise:
Wichmann H-E (2022). Radon. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg.), Handbuch der Umweltmedizin, Kap. VII–2.4, 72. Erg.-Lfg. ecomed Medizin, Landsberg
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