Ingo Ilja Michels, Heino Stöver, Uwe Verthein
Den kompletten Artikel können Sie in unserer Zeitschrift "Suchtmedizin" nachlesen.
Zusammenfassung:
Der Deutsche Bundestag hat am 19. Februar 2017 das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften abschließend beschlossen, es ist am 10. März 2017 in Kraft getreten. Damit sollen Cannabisarzneimittel als Therapiealternative eingesetzt werden können, wenn nach begründeter Einschätzung der behandelnden Ärzt*innen eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome zu erwarten ist (z. B. Schmerztherapie, bestimmte chronische Erkrankungen, schwere Appetitlosigkeit und Übelkeit). Mit Änderungen im SGB V (Sozialgesetzbuch) wurde die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln auf Cannabisbasis in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erweitert, die bislang grundsätzlich auf zugelassene Fertigarzneimittel im jeweils zugelassenen Anwendungsgebiet begrenzt war.
Zukünftig erfolgt in Deutschland zudem ein staatlich überwachter Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Die damit verbundenen Aufgaben wurden dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übertragen (staatliche „Cannabisagentur“).
Mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten gibt es noch immer gravierende Mängel in der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis. Die Bilanz des „Cannabis-als-Medizin-Gesetzes“ ist gemischt. Die rechtliche Grundlage hat zwar einen geregelten Rahmen geschaffen, in der Praxis sind die Bemühungen von Patient*innen und ihren Ärzt*innen für eine Therapie mit Cannabis-Arzneimitteln jedoch oft erfolglos. Trotz aller Probleme zeigen sich die Wirkungen des Gesetzes deutlich. Die Zahl der Cannabis-Patient*innen steigt weiterhin stark an (derzeit geschätzt 80 000), was darauf hindeutet, dass es ein erheblich höheres Potenzial an Personen in Deutschland geben dürfte, denen mit Cannabis als Medizin zu einer besseren Lebensqualität verholfen werden könnte. Triebfeder für das Wachstum ist das Engagement vieler Einzelner, während die strukturelle Integration der Behandlung mit Cannabinoiden als Teil der Regelversorgung ebenso auf sich warten lässt wie ein engagiertes Handeln der verantwortlichen Institutionen.
English Version:
Current developments on the use of medical cannabis in Germany
On February 19, 2017, the German Bundestag finally passed the law amending narcotics law and other provisions; it came into force on March 10, 2017. This means that cannabis medicinal products can be used as an alternative therapy if, according to the attending physician, a noticeable positive effect on the course of the disease or on serious symptoms can be expected (e. g. pain therapy, certain chronic diseases, severe loss of appetite and nausea). With changes in SGB V (Social Code), the reimbursement of drugs based on cannabis in the statutory health insurance has been expanded, which was previously limited to approved finished drugs in the respective approved area of application.
In the future, state-monitored cultivation of cannabis for medical purposes takes place in Germany. The associated tasks were assigned to the Federal Institute for Drugs and Medical Devices (BfArM) (state “cannabis agency”).
More than four years after it came into force, there are still serious shortcomings in the implementation of the law in practice. The results of the “cannabis as medicine law” are mixed. Although the legal basis has created a regulated framework, in practice the efforts of patients and their doctors for therapy with cannabis drugs are often unsuccessful. Despite all the problems, the effects of the law are clearly evident. The number of cannabis patients continues to increase strongly (currently estimated 80 000), suggesting that there should be a significantly higher potential for people in Germany, which could be helped with cannabis as medicine to a better quality of life. The driving force for growth is the commitment of many individuals, while the structural integration of treatment with cannabinoids as part of standard care is just as long in coming as the responsible institutions.
Zitierweise:
Michels II, Stöver H, Verthein U (2022). Aktuelle Entwicklungen zum Einsatz von medizinischem Cannabis in Deutschland. Suchtmedizin 24(1): 7–12
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