Auszug aus dem Handbuch der Infektionskrankheiten:
- Erreger: Botulismus wird durch Neurotoxine ausgelöst, die von Bakterien der Gattung Clostridium gebildet werden. Es sind 8 Botulinum-Neurotoxine, BoNT A bis H, sowie eine größere Zahl von Subtypen zu unterscheiden. Die BoNT A bis F und H werden von C. botulinum gebildet, BoNT G von C. argentinense. BoNT E wird auch von C. butyricum gebildet, BoNT F von C. baratii.
- Einstufung nach Biostoffverordnung: C. botulinum, C. baratii, C. butyricum und C. argentinense sind in die Risikogruppe 2 eingestuft, mit Ausnahme von C. argentinense mit dem Zusatz „Z“ (Zoonoseerreger). Das Botulinum- Neurotoxin gehört zu den stärksten natürlichen Giften und wurde von den CDC der USA in die Kategorie A der bioterroristisch bedeutsamen Agenzien eingestuft.
- Epidemiologie: Die neurotoxinbildenden Bakterien kommen in der Umwelt weit verbreitet vor und werden auch im Darm gesunder Tiere nachgewiesen. Die Sporenbildung verleiht ihnen außerhalb des Tierkörpers eine hohe Überlebensfähigkeit. Vermehrung und damit Toxinbildung setzen anaerobe Milieuverhältnisse voraus. Tierfutter wird durch Kadaver und Tierkot kontaminiert, die Erreger lassen sich auch in Fliegenmaden nachweisen.
- Übertragungsmodus: Der klassische Botulismus der Tiere entsteht wie der Lebensmittelbotulismus des Menschen durch orale Aufnahme des Botulinumtoxins. Daneben sind auch Infektionen mit Toxinbildung im Körper nachgewiesen, z.B. beim Wundbotulismus und beim sogenannten viszeralen Botulismus.
- Inkubationszeit: Nach oraler Aufnahme von Botulinumtoxin werden Inkubationszeiten von 12 bis 18 Stunden bis zu 16 Tagen beschrieben.
- Krankheitsbilder: Botulinumtoxine hemmen die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin und führen damit zu schlaffen Lähmungen der Muskulatur, der Tod tritt infolge Atemlähmung ein, Fieber fehlt. Botulismus tritt bei sehr vielen Tierarten auf, wobei Unterschiede bezüglich der einzelnen Toxovaren bestehen. Am häufigsten erkranken Rinder, Pferde, Schafe und Vögel. Fleischfresser sind weniger empfindlich, bei in Farmen gehaltenen Nerzen und anderen Pelztieren sind aber auch Massenerkrankungen (BNT C) bekannt. Über Botulismus bei Schweinen liegen einzelne Berichte vor. BoNT und F treten besonders bei Fischen auf. Erkrankungen von Tieren durch C. argentinense sind bekannt.
- Differenzialdiagnosen: Alle mit schlaffen Lähmungen bei fieberfreien Tieren verlaufende Erkrankungen sind zu berücksichtigen. Dazu ist die Abklärung des Botulismus bei zentralnervösen Symptomen und stoffwechselbedingten Paresen und Tetanien erforderlich.
- Labordiagnostik: Für die diagnostische Abklärung klinischer Verdachtsfälle hat der kulturelle Nachweis der genannten Clostridienarten keine Bedeutung. Am sichersten ist der Nachweis des Botulinumtoxins im Maus-Bioassay. Die Bestimmung der Toxovare erfordert die Neutralisation mit antitoxischen Seren. Antikörper gegen die Toxine können mit ELISAMethoden nachgewiesen werden, das Vorkommen toxinbildender Stämme (BoNT-Gene) in der Umwelt und im Darminhalt ist mittels PCR detektierbar.
- Behandlung: Eine kausale Therapie ist nur mit typspezifischen antitoxischen Seren möglich; derzeit sind in Deutschland jedoch keine Präparate für Tiere zugelassen. Somit kann nur eine Umwidmung für Menschen zugelassener Seren erfolgen.
- Gesetzliche Regelungen: Im Anhang I B der EU-Zoonosenrichtlinie 2003/99/EG sind Botulismus und seine Erreger als je nach epidemiologischer Situation überwachungspflichtige Zoonose/Zoonoseerreger aufgeführt.
Das österreichische Zoonosengesetz enthält die Formulierungen der o.g. Richtlinie. Botulismus ist im deutschen Tierseuchenrecht weder anzeige- noch meldepflichtig.
- Bedeutung als Berufskrankheit: Botulismus besitzt keine praktische Bedeutung als Berufskrankheit. Bei Laborarbeiten mit dem Toxin ist dessen hohe Toxizität zu beachten.
- Schutzimpfungen: In Deutschland ist derzeit nur ein Kombinationsimpfstoff für Nerze mit dem Antigen BoNT C (Toxoid) zugelassen. Nerzimpfstoffe wurden für Schwäne umgewidmet. International sind Impfungen bei Rindern und Pferden üblich.
- Amtliche Impfempfehlungen: Keine.
Zitierweise:
Selbitz HJ (2019). Botulismus. In: Meyer C (Hrsg): Handbuch der Infektionskrankheiten. Kap. II – 5.1.B, 83. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg