Burnout bei Ärztinnen und Ärzten

P. Beschoner

Auszug aus Arbeiten im Gesundheitswesen:

Der internationalen Literatur zufolge haben Ärztinnen und Ärzte ein hohes Ansehen in der Gesellschaft und werden wertgeschätzt. Dieses soziale Prestige steht im Zusammenhang mit hohen Erwartungen. So soll eine Ärztin/ein Arzt immer erreichbar, aufmerksam, umsorgend sein, und gleichzeitig schnell und effektiv handeln. Die inzwischen recht breit aufgestellte Literatur zum „impaired physician“ beschäftigt sich mit dem Gesundheitszustand der Ärztinnen und Ärzte im Allgemeinen und ihrer dadurch beeinträchtigten Leistungen.

Bereits im Studium sind angehende Mediziner spezifischen Belastungen, die die ärztliche Tätigkeit mit sich bringt, ausgesetzt. Neben den allgemeinen Belastungen des Studierens wie Prüfungen, hoher Stoffumfang, finanzielle Probleme, werden kompetentes Auftreten, fehlende Anleitung und das Erleben von Insuffizienz im Patientenkontakt als belastend erlebt.

Chopra et al. (2004) berichten bei 46–80 % der Ärztinnen und Ärzte von emotionaler Erschöpfung, der Kerndimension von Burnout. Bei 22–93 % fanden sie Depersonalisation und bei 16–79 % verminderte persönliche Erfüllung. In einer großangelegten Studie (Dyrbye 2014) wurden bei 2581 Ärztinnen und Ärzten Prävalenzen für Burnout von 50–60 % festgestellt. Oberlander (2010) beschreibt bei 20,6 % der von ihm untersuchten 1302 Ärztinnen und Ärzten ein interventionsbedürftiges Burnout.

Ärztinnen sind 1,6-mal häufiger von Burnout betroffen als ihre männlichen Kollegen (McMurray et al. 2000). Insgesamt sieht die empirische internationale Literatur bei Ärzten eine im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und zu anderen akademischen Berufen um das 1,4- bis 2,7-fach erhöhte Suizidrate.

Für in Kliniken tätige Ärztinnen und Ärzte im deutschsprachigen Raum werden zusammenfassend folgende berufsbezogene Belastungsfaktoren berichtet:

  • strukturelle Arbeitserschwernisse
  • Qualitätsstruktur
  • lange Arbeitszeit, häufige Überstunden
  • Zeitdruck und mangelnde Nutzungsmöglichkeit der Pausen
  • Arbeitsdruck und Konflikte zwischen Patientenbetreuung und anderen Aufgaben
  • mangelnde Anerkennung für geleistete Arbeit (Einkommen, Wertschätzung, Feedback)
  • andauernde Aufmerksamkeit
  • emotionale Belastung durch Tätigkeit
  • Unvereinbarkeit von Familie und Beruf

Je nach Tätigkeit und Fachrichtung sind Ärztinnen und Ärzte unterschiedlichen beruflichen Stressoren ausgesetzt, die wiederum ein unterschiedlich hohes Risiko, ein Burnout zu entwickeln, zu bergen scheinen.

Shanafelt et al. (2012) untersuchten in den USA 7288 Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen zu Burnout. Sie fanden heraus, dass mit rund 65 % die Notfallmediziner am stärksten betroffen waren, gefolgt von internistisch/allgemeinmedizinisch tätigen Kollegen mit rund 55 % und Neurologen mit ebenfalls über 50 %.

Auch für chirurgisch tätige Ärztinnen und Ärzte ist ein hohes Burnout-Risiko belegt. In einer Untersuchung an 582 Chirurgen in den USA fanden Campbell et al. (2001) bei 49 % der Befragten Burnout-Symptome. Yost et al. (2005) berichten in ihrer Studie an amerikanischen Transplantationschirurgen von hoher emotionaler Erschöpfung bei 38 % der Befragten, Depersonalisation bei 27 % und reduzierte persönliche Erfüllung bei 16 %. In ihrer Übersichtsarbeit zu Burnout bei orthopädischen Chirurgen berichten Arora et al. (2013) von Burnout-Raten von 50–60 %.

Am wenigsten stark betroffen waren Mediziner in der Dermatologie, Arbeits- und Umweltmedizin (jeweils um 30 %).

Konsequenzen von Burnout bei Ärztinnen und Ärzten
Eine ethische, qualitativ hochwertige und effiziente Versorgung der Patienten setzt gesunde und leistungsfähige Ärzte voraus. Vor diesem Hintergrund sind die Konsequenzen, die aus psychischen Beeinträchtigungen von Ärzten erwachsen, von hoher Relevanz für unsere Gesellschaft. Neben dem allgemeinen Risiko, dass ein Burnout in schwereren psychischen Störungen, wie Depressionen, Suizidalität und Substanzmissbrauch sowie körperlichen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzinfarkt mündet, liegt ein zusätzliches Problem psychischer Belastung bei Ärzten in einer möglicherweise resultierenden reduzierten Empathiefähigkeit (Shanafelt et al. 2005), die eine ärztliche Kernkompetenz darstellt. Am Arbeitsplatz ist Burnout bei Ärztinnen und Ärzten assoziiert mit hoher Fluktuation, Absentismus, schlechter Arbeitsleistung und negativer Einstellung der Arbeit gegenüber (Campbell et al. 2001). Bei Patienten führt ein Burnout zu Unzufriedenheit mit der Behandlung durch den betroffenen Arzt (Meier et al. 2001), was wesentlichen Einfluss auf die Compliance haben dürfte. Für Patienten bedeutet ein behandelnder Arzt, der an einem Burnout-Syndrom leidet, aber auch tatsächlich eine qualitativ schlechtere medizinische Versorgung (Barden et al. 2002), geringere Patientensicherheit und mehr medizinische Fehler. Shanafelt et al. (2010) fanden in einer Untersuchung an 7 095 Ärztinnen und Ärzten eine enge Korrelation zwischen medizinischen Fehlern und allen drei Dimensionen von Burnout.

Zitierweise:
Beschoner P (2019): Burnout bei Ärztinnen und Ärzten. In: Angerer P, Gündel H, Brandenburg S, Nienhaus A, Letzel S, Nowak D (Hrsg): Arbeiten im Gesundheitswesen. ecomed Medizin, Landsberg

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