Der demente Schmerzpatient

M. Schuler

| AINS | Chirurgie | Anästhesiologie

Den kompletten Artikel können Sie in unserem Kompendium "Anästhesiologie" nachlesen

Zusammenfassung:

Auch bei Menschen mit Demenz sind folgende Unterscheidungen wichtig, um eine gute Schmerzbehandlung zu erreichen: akut versus chronischer versus akut auf chronischer Schmerz, nozizeptiver versus neuropathischer versus gemischter Schmerz; monolokulär versus multilokulär;
schwacher versus starker Schmerz, Grad der Beeinflussung von Funktion und Lebensqualität durch den Schmerz. Die Eigenanamnese zu möglichen Schmerzen und deren Behandlungsversuche wird, je ausgeprägter die Demenz ist, desto schwieriger; Fremdanamnese, gute Dokumentation und Verhaltensbeobachtungen nehmen demnach an Bedeutung zu.

Menschen mit kognitiven Einschränkungen fällt es zunächst schwer, den Schmerzort eindeutig zu lokalisieren und den Charakter der Schmerzen zu beschreiben. Das Erleben der Intensität bleibt zunächst recht konstant. Wenn die Verbalisierung von Schmerzen problematischer wird, können Verhaltensbeobachtungen Hinweise auf Schmerzerleben liefern. Am besten ist das für die Beobachtung der Mimik belegt. Hierbei hilft, dass es zumindest bis zu mittelschweren Stadien der Alzheimer-Demenz
eher zu einer Zunahme von non-verbalem Verhalten bei Schmerzreizen kommt im Vergleich zu Menschen ohne Demenz.

Neben der Behandlung der Schmerzursachen sind nicht nur bei chronischen Schmerzenmedikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieverfahren und Angehörigenschulung individuell zusammenzustellen. Gerade nicht-medikamentöse Therapien haben bei richtiger Anwendung wenig unerwünschte Wirkungen, bedürfen aber meist der ständigen personellen Unterstützung bei der Umsetzung. Musiktherapie und aktive Übungsbehandlung sind bisher die Verfahren mit der besten Evidenz bei Menschen mit Demenz. Bei der medikamentösen Therapie sind Prinzipien der geriatrischen Behandlung einzuhalten: start low, go slow; zunächst eine Substanz verändern; mehr als 5 Substanzen erhöhen das Sturzrisiko; bei Addition einer Substanz sollte ein Medikamentencheck aller Medikamente nach Indikation, Wirksamkeit und unerwünschten Arzneimittelwirkungen erfolgen; eine strukturierte Erfassung von unerwünschten Wirkungen.

Die Prinzipien der Schmerztherapie unterscheiden sich kaum von denen bei Patienten ohne Demenz: Bei einzelnen Demenzformen und in schweren Demenzstadien kann den Analgetika die „unspezifische“ Wirkung (Placebo) fehlen; das schmerzassoziierte Delir ist bei Menschen mit Demenz häufiger und die Titration von Analgetika (besonders Opioiden) schwieriger, die wiederum bei zu hohen Dosen delirogen
wirken. Analgetika bei Bedarf stellen bei Menschen mit Demenz in aller Regel kein sinnvolles, umsetzbares Therapieprinzip dar. Nicht-steroidale Antiphlogisti-ka sind meist aufgrund der Komorbiditäten kontraindiziert. Opioide können vor allem zu Beginn das Sturzrisiko deutlich erhöhen und beeinflussen bei längerer Einnahme vor allem in der Kombination mit anderen ZNS-wirksamen Medikamenten die kognitiven Funktionen negativ. Anticholinerge Wirkungen begrenzen den Einsatz vieler Koanalgetika bei Menschen mit Demenz. Die Rhythmisierung von Tag und Nacht und der Nachtschlaf spielen bei Menschen
mit Demenz auch für die Fürsorge und die Belastung der Angehörigen eine wichtige Rolle.

Bis heute gilt für Deutschland, dass Menschen mit Demenz seltener und weniger intensiv analgetisch behandelt werden. Dies scheint weltweit jedoch sehr unterschiedlich zu sein. Inzwischen gibt es etliche
Belege, dass unter Einbeziehung standardisierter Verhaltensbeobachtungen und potenziell schmerzhafter Erkrankungen (z.B. postoperativ, früher bekannter chronischer Schmerz) eine analgetische Therapie begründet und erfolgreich durchgeführt werden kann. Insgesamt nehmen die wissenschaftlichen Befunde in den letzten Jahren zu diesem Thema zu, wobei die Pathologie der Demenz in klinischen Untersuchungen zu wenig berücksichtigt wird. Hier spielen auch ethische Aspekte eine große Rolle.

Zitierweise:

Schuler M (2020). Der demente Schmerzpatient. In: Eckart J, Jaeger K, Möllhoff T (Hrsg.). Anästhesiologie, 70. Erg.-Lfg., Landsberg: ecomed Medizin

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