T. Weber, J. Koschorreck, M. Rüther, A. Körner, B. Knopf, M. Kotthoff, H. Rüdel, D. Lermen, M. Bartel-Steinbach, T. Göen, M. Paulus, R. Klein, M. Veith, M. Kolossa-Gehring
Den kompletten Artikel können Sie in unserem "Handbuch der Umweltmedizin" oder in unserer Zeitschrift "Umweltmedizin - Hygiene - Arbeitsmedizin" Band 25 Nr. 3 2020) nachlesen.
Einleitung
Die Umweltprobenbank des Bundes (UPB) ist ein Archiv von Proben, mit denen die Qualität der Umwelt und die Belastung des Menschen dokumentiert und bewertet werden kann.
Jährlich werden Humanproben (Vollblut, Blutplasma und Urin) von Studierenden an vier Standorten gesammelt und untersucht. Parallel werden typische Ökosysteme in ganz Deutschland, von Küstenregionen über Ballungsräume bis hin zu Gebirgsregionen, beprobt und dabei Vertreter der Nahrungsnetze erfasst, beispielsweise Muschel, Fisch und Möwe aus den Küsten-Ökosystemen.
Die Schadstoffbelastung der Proben wird kurz nach der Probensammlung oder retrospektiv in eingelagerten Proben bestimmt. Die Ergebnisse der Analysen können einen Handlungsbedarf und Erfolg oder Misserfolg regulatorischer Maßnahmen für Chemikalien aufzeigen, aber auch grundsätzliche Aussagen zur Qualität der Umwelt liefern.
Im Routineprogramm der UPB werden nicht nur Konzentrationen von bestimmten Stoffen gemessen. Vielmehr wird auch die „Fitness“ der beprobten Organismen anhand biometrischer Faktoren, wie z.B. Alter, Größe, Gewicht und Gesundheitszustand, beurteilt.
Weil die UPB den aktuellen Zustand der Umwelt dokumentiert, aber auch Proben der Vergangenheit für unvorhersehbare Fragestellungen bereithält, stellt sie ein wichtiges Instrument der gesundheitsbezogenen Umweltpolitik in Deutschland dar.
Konzeption der Umweltprobenbank des Bundes
Für die Umweltprobenbank des Bundes werden Humanproben ausgewählter Standorte gemeinsam mit ökologisch repräsentativen Umweltproben gesammelt, eingelagert und auf gesundheits- und umweltrelevante Stoffe analysiert. Auf diese Weise wird auch eine Erfolgskontrolle umweltpolitischer Maßnahmen möglich, beispielsweise bei Verboten von Stoffen oder freiwilligen Vereinbarungen mit Industrieverbänden zur Verbrauchsbeschränkung.
Mit einer ökosystemaren Charakterisierung und Bewertung repräsentativer Lebensräume der Bundesrepublik Deutschland – in ihrem Ist-Zustand, aber auch in ihrer Entwicklung – werden wichtige Voraussetzungen geschaffen, um frühzeitig
Nach einer erfolgreichen Entwicklungs- und Erprobungsphase (Beginn 1977) erfolgte ab 1981 die systematische Sammlung und Lagerung von Humanproben und ab 1994 der Ausbau der Umweltprobenbank zum Vollbetrieb (4 Humanprobenahmestandorte und 14 repräsentative Ökosysteme) nach dem in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Stufenplan.
Stufenplan des Ausbaus des Routinebetriebs der Umweltprobenbank:
Humanbereich | |
seit 1981 | Universität Münster |
seit 1995 | Universität Halle/Saale |
seit 1995 | Universität Greifswald |
seit 1997 | Universität Ulm |
Umweltbereich | |
seit 1994 |
Biosphärenreservat/Nationalpark |
seit 1995 | Rhein |
seit 1996 | Nationalpark Harz |
seit 1997 | Bornhöveder Seengebiet |
seit 1998 |
Biosphärenreservat/Nationalpark Berchtesgaden |
seit 1999 | Solling |
seit 2000 | Oberbayerisches Tertiärhügelland |
seit 2001 | Biosphärenreservat Pfälzerwald |
seit 2002 | Donau |
Aufgaben und Ziele der Umweltprobenbank des Bundes
Neben dem routinemäßigen chemischen Monitoring können durch retrospektive Analysen Stoffe erfasst werden, die zum Zeitpunkt der Probenahme noch nicht als gefährlich angesehen wurden, nicht prioritär untersucht werden sollten oder für die bei der Archivierung noch keine oder zumindest keine ausreichend empfindlichen Analysenmethoden verfügbar waren. Dieses Vorgehen erlaubt die Erfassung von Zeittrends und gibt Auskunft, ob umweltpolitische Maßnahmen erfolgreich waren. Die Daten können auch auf einen (behördlichen) Handlungsbedarf hinweisen, um die Belastung des Menschen mit Umweltschadstoffen zu senken.
Auswahl der Probenarten
Die gegenwärtig gesammelten Probenarten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt.
Stufenplan des Ausbaus des Routinebetriebs der Umweltprobenbank:
Umweltproben | ||
Probenart | lateinischer Name | Spezifikation |
Marin | ||
Blasentang (bis 2012) |
Fucus vesiculosus | Thallus |
Miesmuschel | Mytilus spp. | Weichkörper |
Silbermöwe | Larus argentatus | Ei-Inhalt |
Aalmutter | Zoarces viviparus | Muskulatur, Leber |
Limnisch | ||
Dreikantmuschel | Dreissena polymorpha | Weichkörper |
Brassen | Abramis brama | Muskulatur, Leber, Blutplasma |
Schwebstoffe | – | gefriergetrocknet und auf < 2 mm gesiebt |
Terrestrisch | ||
Fichte | Picea abies | einjährige Triebe |
Kiefer | Pinus sylvestris | einjährige Triebe |
Rotbuche | Fagus sylvatica | Blätter |
Pyramidenpappel | Populus nigra 'Italica' | Blätter |
Reh | Capreolus capreolus | Leber |
Stadttaube (bis 2012) |
Columba livia f. domestica | Ei-Inhalt |
Regenwurm | Lumbricus terrestris/Aporrectodea longa | entkoteter Gesamtkörper |
Boden | – | verschiedene Horizonte, auf < 2 mm gesiebt |
Humanproben | ||
Probenart | Probenbeschreibung | |
Vollblut | wird durch Punktion der Vene gewonnen und enthält alle physiologisch vorkommenden Blutbestandteile | |
Blutplasma | wird durch Zentrifugation aus der Vollblutprobe gewonnen und enthält keine Blutzellen mehr | |
24-h-Sammelurin | 24-h-Sammelurin wird von den Teilnehmenden selbst gesammelt. Hierzu erhalten diese einige Tage vor dem Probenahmetermin einen 3-L-Behälter sowie eine Anleitung zur korrekten Sammlung. Die Beprobung beginnen sie selbstständig, 24 h bevor sie ihren Untersuchungstermin haben. |
Umweltproben
Die Probenarten für den Umweltbereich wurden so ausgewählt, dass sie möglichst umfassende Informationen über die Gesamtsituation in den unterschiedlichen Ökosystemtypen Deutschlands liefern. Die Auswahl beruht im Wesentlichen auf zwei Grundforderungen (Klein et al. 1994), der ökologischen und der biogeographischen Repräsentativität.
Nachfolgend ist exemplarisch ein Auszug aus den Proben (hier "Beli im Vollbkut") zu finden. Weitere Probeergebnisse und Rückschlüsse sind im Gesamtbeitrag nachzulesen (siehe "Handbuch der Umweltmedizin" oder in unserer Zeitschrift "Umweltmedizin - Hygiene - Arbeitsmedizin" Band 25 Nr. 3 2020).
Blei in Vollblut
Für das neurotoxische Schwermetall Blei wurden im Rahmen der Routineuntersuchungen der UPB bereits 1981 erste Analysen an Humanproben durchgeführt. Neben dem ubiquitären Vorhandensein von Blei in Boden und Wasser sind es vor allem vom Menschen gemachte Prozesse, wie die Verarbeitung von Blei in Batterien, in Trinkwasserrohren oder die Verwendung als Antiklopfmittel in Benzinkraftstoff, die zur Exposition von Mensch und Umwelt mit Blei führen (Hernberg 2000). Da es sich bei Blei um einen als potenziell kanzerogen im Menschen bewerteten Stoff handelt (IARC 1987, 2006) und somit keine Wirkschwelle festgelegt werden kann, können auch keine sicheren Grenzwerte für die Bleiexposition abgeleitet werden (HBM-Kommission 2009). Das Monitoring der Bleibelastung hilft zu bewerten, ob Maßnahmen zur Reduktion der Exposition greifen und/oder ob weitere Maßnahmen nötig sind.
Die bedeutendste und am häufigsten angewendete Methode zur Bestimmung der Bleiexposition im Human-Biomonitoring ist die Bestimmung in Vollblut (Klotz u. Göen 2017).
Die gemessene Bleikonzentration der Studenten in Münster sank von 77,8 μg/L in 1981 auf 10,1 μg/L in 2017 (–87 %). In den jeweils untersuchten Zeiträumen sanken die Konzentrationen in Halle/Saale, Greifswald und Ulm äquivalent. Ein ähnlicher Trend (bezogen auf die 2000er-Jahre) konnte in der amerikanischen NHANES Studie aufgezeigt werden (Centers for Disease and Prevention 2009, Centers for Disease and Prevention 2014).
Seit 2010 liegt die mittlere Konzentration von Blei im Vollblut der Studierenden nahezu konstant bei ca. 10 μg/L.
Die dargestellten Daten zeigen eine klare Verringerung der inneren Belastung der untersuchten Studierenden, die einhergeht mit eingebrachten Regulationen, wie dem Benzinbleigesetz (1971), welches zunächst zur verringerten Verwendung und abschließend zum Verbot von mit Tetraethylblei versetztem Kraftstoff führte, oder dem Verbot von bleihaltigen Trinkwasserleitungen (1973) und verdeutlichen somit den Erfolg der Maßnahmen. Die starke Reduktion der Bleiexposition darf jedoch nicht als Begründung gesehen werden, Maßnahmen zu verringern und das Human-Biomonitoring der Bleibelastung einzustellen, da aufgrund der mangelnden Wirkschwelle eine weitere Verringerung der Bleibelastung anzustreben ist.
Zitierweise:
Weber T et al. (2020). Die Umweltprobenbank des Bundes – Umwelt- und Humanproben. Umweltmed - Hygiene - Arbeitsmed 25 (3) 109-131
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