Fentanyl in Diamorphinpraxen?

Thilo Kraski, Marc Vogel, Josephine Demba, Christoph Stoll und Andreas Zsolnai

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Zusammenfassung
Hintergrund: Fentanyl ist ein synthetisches Opioid mit einer etwa 50-mal höheren Potenz als Heroin, welches bei den meisten drogenbedingten Überdosierungen in den USA nachgewiesen werden kann. Auch in Deutschland steigt die Zahl der drogenbedingten Todesfälle. Politik und das deutsche Suchthilfesystem sind in Alarmbereitschaft. Das Wissen über die Verbreitung von Fentanyl auf dem deutschen Drogenmarkt und unter deutschen Drogenkonsumenten ist jedoch gering. Deshalb haben zwei auf diamorphingestützte Behandlung spezialisierte Fachambulanzen einen Fragebogen zum  Thema Fentanyl entwickelt und durchgeführt.
Methoden: In zwei diamorphingestützten Praxen in Karlsruhe und Stuttgart wurde eine  Querschnittserhebung mit einem selbst entwickelten Fragebogen zu Geschlecht und Alter sowie quantitativen und qualitativen Fragen zum Wissen und Gebrauch von Fentanyl durchgeführt. Außerdem wurden retrospektive Daten eines lokalen Labors zu fentanylhaltigen Urinproben ausgewertet. Insgesamt nahmen 61,2% aller behandelten Patient*innen an der Umfrage teil, von denen sich 80,8% als männlich, 18,3% als weiblich und 0,8% als gemischt/genderneutral identifizierten. Das Durchschnittsalter betrug 43,5 Jahre. 35 % der Befragten gaben an, dass Fentanyl, insbesondere Fentanylpflaster und -tabletten, auf dem Schwarzmarkt zunehmend verfügbar sind. Ebenso wurde berichtet, dass Nitazene leicht über das Darknet erhältlich sind. Fentanyl wird offenbar hauptsächlich intravenös oder in Form von Mischkonsum gebraucht. Die Konsumenten beschreiben die Wirkung von Fentanyl sehr unterschiedlich. Im Vergleich zu anderen Opioiden wurden die höhere Potenz und die subjektiv länger anhaltende Wirkung genannt. Ein Drittel der Teilnehmer gab an, dass Diamorphin das ähnlichste Substitut zu Fentanyl sei. Was das Behandlungssystem betrifft, wünschten sich die meisten Patient*innen eine bessere Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen, eine bessere Zugänglichkeit von Gegenmitteln wie Naloxon und mehr diamorphingestützte Behandlungen. Die Labordaten zeigten, dass Fentanyl bei regelmäßigen Urinuntersuchungen von Patient*innen, die in Stuttgart mit Opioidagonisten behandelt wurden, in den Jahren 2023 und 2024 im Vergleich zu den Vorjahren vermehrt nachgewiesen wurde.
Fazit: Fentanyl ist zunehmend auf dem Schwarzmarkt erhältlich und der Konsum von Fentanyl wird häufig von Patient*innen in heroingestützter Behandlung in Süddeutschland angegeben. Die meisten Teilnehmer dieser Umfrage kannten Fentanyl und waren zumTeil auch daran interessiert, es zu konsumieren. Das Behandlungssystem sollte sich darauf einstellen und mehr Unterstützung, wie z. B. Möglichkeiten zum Drug Checking und eine Ausweitung der heroingestützten Behandlung mit einem ganzheitlichen Ansatz für schwer drogenabhängige Patient*innen mit intravenösem Konsum anbieten. Ebenso wünschenswert wäre die Zulassung einer oralen Formulierung von Diamorphin für die nicht i.v. Konsumenten von Fentanyl.
Schlagwörter: Opioid, Fentanyl, Nitazen, heroingestützte Behandlung, Diamorphin

Fentanyl in heroin assisted treatment?

Abstract
Background: Fentanyl is a synthetic opioid which is approximately 50 times more potent than Heroin. It is detectable in most drug related overdoses in the United States of America. Whilst the number of drug related deaths is seen to be increasing in Germany, leading to rising concern amongst politicians and the German drug treatment system, knowledge of Fentanyl prevalence remains poor. Therefore two outpatient practices specializing in heroin-assisted treatment (HAT) developed and carried out a questionnaire asking about knowledge of fentanyl.
Methods: We carried out a cross-sectional survey with a self-developed questionnaire assessing gender and age and quantitative and qualitative questions about the knowledge and use of fentanyl in two HAT practices in Karlsruhe and Stuttgart in South Germany, Baden-Württemberg. Furthermore, we assessed retrospective data of a local laboratory on urinalyses containing fentanyl.
Results: In total 61,2 % of all treated patients participated in the survey, of which 80,8 % identified as male, 18,3 % as female and 0,8 % as non-defined. The average age of participants was 43.5 years. Increased fentanyl availability on the black market was reported by 35 % of participants, in particular fentanyl patches and tablets. Equally, nitazenes were reported to be readily obtained from the darknet. Fentanyl seems to be mostly used intravenously or in form of a mixed consumption. Users describe higher potency and subjectively longer lasting effects compared to other opioids. A third of participants reported diamorphine to be the most similar substitute to fentanyl. Regarding the  treatment system, most patients wanted to see better education of relative risks and side effects, a better accessibility of antidotes such as naloxone and more HAT. The laboratory data showed increased  findings of fentanyl in regular urinalyses of patients in opioid agonist treatment in  Stuttgart in 2023 and 2024 compared to previous years.
Conclusion: Fentanyl use is commonly reported by patients in HAT in southern Germany and is increasingly available on the black market.Most intravenous drug users in this survey were aware of fentanyl and in part also interested in using it. The treatment system should prepare andoffermore support suchasdrugchecking possibilities and an expansion of HAT with a holistic approach to severe drug dependent patients with intravenous use. The approval of an oral formulation of diamorphine for non-injectable users of fentanylwould also be desirable.
Keywords: Opioid, fentanyl, nitazene, heroin-assisted treatment, diamorphine

Zitierweise:
Kraski T, Vogel M, Demba J, Stoll C, Zsolnai A (2025). Fentanyl in Diamorphinpraxen?. Suchtmedizin 27(1): 20-30

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