T. Weiß, S. Koslitz, J. Bünger, T. Brüning
Unter sog. "Fume and Smell Events" werden Ereignisse in Verkehrsflugzeugen subsummiert, die mit einer Geruchsentwicklung oder dem Auftreten von sichtbarem Rauch in der Kabine oder im Cockpit verbunden sind. Nach solchen Ereignissen wird von betroffenen Flugbegleitern und Piloten ein sehr heterogenes Beschwerdebild, teils mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen berichtet. Aktuell werden als mögliche Auslöser beschriebener gesundheitlicher Effekte vornehmlich zwei Stoffgruppen mit neurotoxischem Potenzial diskutiert:
Nach derzeitiger Erkenntnislage sind Flugbegleiter und Piloten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung einer leicht höheren Belastung mit gewissen Organophosphorverbindungen ausgesetzt, jedoch niedriger belastet als Flugzeugmechaniker mit Kontakt zu Organophosphorverbindungen aus Hydraulik- und Turbinenölen. Neurotoxische ortho-Isomeren des Trikresylphosphats fanden sich weder bei Mechanikern noch Betroffenen eines Ereignisse oder in Personen aus der Allgemeinbevölkerung. Die nur wenigen vorliegenden Biomonitoring-Daten zu den VOC deuten auf eine vorhandene, jedoch eher geringe Belastung hin.
Ein Vergleich mit bestehenden Grenzwerten macht deutlich, dass weder die derzeit diskutieren Organophosphorverbindungen noch neurotoxische Vertreter der VOC eindeutig als Auslöser der Beschwerdebilder wahrscheinlich zu machen sind.
Einleitung
Fliegendes Personal berichtet gelegentlich von Zwischenfällen an Bord von Flugzeugen, bei denen unangenehme Gerüche und in schweren Fällen sogar sichtbarer Rauch in der Kabine auftreten. Entsprechende Vorfälle können mit unangenehmen Gerüchen verbunden sein, die teilweise als ölartig und/oder als Geruch nach "stinkenden Socken" bzw. "nasser Hund" beschrieben werden. Welche Stoffe dabei in das Kabineninnere gelangen, ist noch ungeklärt. Die betroffenen Personen berichten in Folge solcher Ereignisse teilweise Symptome wie z.B. Erschöpfung, Müdigkeit, Konzentrationsschwächen, Sehstörungen und in seltenen Fällen sogar Bewusstlosigkeit. Die im Zusammenhang mit entsprechenden Ereignissen beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen jedoch kein einheitliches Beschwerdebild dar, sondern sind sehr heterogen. Neben akuten Beschwerden wird die Exposition auch für chronische Erkrankungsbilder bei Flugbegleitern und Piloten, zum Teil einhergehend mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit, verantwortlich gemacht.
Beim weit überwiegenden Teil der Verkehrsflugzeuge wird die Frischluft an den Triebwerken als sogenannte Zapfluft (Bleed Air) noch vor der Brennkammer abgegriffen und über die Klimaanlage mit hohen Luftwechselraten in Kabine und Cockpit geleitet (Ausnahme Boeing 787 Dreamliner). Insbesondere bei hoher Turbinenlast, z.B. bei Start oder Landung, kann Triebwerksöl bei nicht optimal arbeitenden Dichtungen in die abgezapfte Luft gelangen. Da in der Verdichterstufe des Triebwerks hohe Temperaturen vorhanden sind, ist das Triebwerksöl einer hohen thermischen Belastung ausgesetzt und es kann zu Pyrolyseprozessen kommen. Aber auch im störungsfreien Normalbetrieb verbraucht sich das Triebwerksöl zu geringem Anteil, so dass es regelmäßig nachgefüllt werden muss (z.B. bei der Turbinenwartung).
Nicht jeder Geruchsvorfall an Bord ist mit Triebwerksöl verbunden. Die Gerüche können z. B. auch aus der Küche, der Toilette, von Kunststoffen oder von Fracht, die z.B. ausgelaufen ist, stammen. Nach einer Untersuchung der Bundesstelle für Fluguntersuchung wurden weniger als 20 % der aufgetretenen Geruchs-Ereignisse von den Betroffenen mit einem ölartigen Geruch oder dem Geruch alter Socken beschrieben (BfU 2014). Der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung wurden 2017 203 „Fume Events“ gemeldet, 2016 waren es 228. Aber auch die Wahrnehmung eines Geruchsereignisses stellt nicht unbedingt einen sicheren Beleg für eine nachweisbare Verunreinigung der Kabinenluft dar. So konnte Rosenberger (2018) auf einem Flug ungewöhnlich hohe Konzentrationen an VOC und (geruchsintensiven) Aldehyden messen, ohne dass die Crew dies als Geruchsereignis wahrnahm bzw. meldete, während auf einem anderen Flug von mehreren Crewmitgliedern Beschwerden über Gerüche vermeldet wurden, ohne dass sich bei den entsprechenden Kabinenluftmessungen auffällige Werte fanden.
Entsprechende Geruchsereignisse bzw. "Fume Events" treten relativ selten auf, dauern zumeist nur wenige Minuten an und sind nicht vorhersehbar. Daher ist es äußerst schwierig, über Kabinenluftmessungen die mit „Fume and Smell Events“ verbundenen Gefahrstoffexpositionen zu erfassen. Mittels Human-Biomonitoring (HBM) besteht grundsätzlich die Möglichkeit, auch noch eine gewisse Zeit nach einem Ereignis die dabei aufgetretenen Gefahrstoffe im Blut oder Urin der Betroffenen zu quantifizieren.
Nachfolgend wird der aktuell in der Literatur verfügbare Erkenntnistand zum Biomonitoring bei "Fume and Smell Events" dargestellt.
Organophosphorverbindungen
Trikresylphosphate
Hinsichtlich der stofflichen Auslöser der von „Fume and Smell Events“ Betroffenen berichteten Beschwerden konzentrierte sich die Aufmerksamkeit zunächst auf die sog. Trikresylphosphate (TKP), da diese den Triebwerksölen als Antiabrasionsmittel in Mengen bis zu 3 % zugesetzt werden (z.B. ExxonMobil 2018) und bekannt ist, dass gewisse Trikresylphosphate ein hohes neurotoxisches Potenzial aufweisen. Trikresylphosphate stellen eine Gruppe von 10 Isomeren dar, von denen die ortho-Isomeren (o,o,o-TKP (ToKP), o,o,m-TKP, o,o,p-TKP, o,m,p-TKP, o,m,m-TKP, o,p,p-TKP) neurotoxisch wirken (Henschler et al. 1958). Nach Henschler weisen innerhalb der Gruppe der 10 TKP-Isomeren die Mono-ortho-Isomere das höchste neurotoxische Potenzial auf, gefolgt von den Di-ortho-Isomeren und dem ToKP, während die nicht-ortho-Isomeren in den Tierversuchen auch bei höheren Dosen oder wiederholter Verabreichung nicht neurotoxisch waren (Henschler 1958, Aldridge und Barnes 1961). Der Gehalt an ortho-Isomeren in technischem TKP für Triebwerksöle wurde von ursprünglich etwa 30 % auf etwa 3 % in der Mitte des letzten Jahrtausends (Henschler 1958) und auf etwa 0,3 % Anfang der 1990er Jahre reduziert (Mackerer et al. 1999). Das Ende der 1990er verfügbare "Class 5 low-toxicity TCP" enthielt noch etwa 0,03 % an ortho-Trikresylphosphaten. In heutigem TKP sind ortho-Isomeren lediglich noch in Spuren nachweisbar. In Triebwerksöl, das nach 2001 vertrieben wurde, fanden sich noch mono-ortho-Isomeren zwischen 20 und 40 µg/L während die di-ortho-Isomeren und das ToKP unterhalb der Bestimmungsgrenze lagen (De Nola 2011). Eine kurz zurückliegende Analyse von frischem und gebrauchtem "Mobil Jet Oil II" mittels zweidimensionaler Gaschromatographie mit hochauflösender Time of Flight Massenspektroskopie (GCxGC-HRTOFMS) ergab keinen Nachweis von ortho-Kresyl-Isomeren (< 0,0005 %) mehr. Es wurden lediglich die Isomeren m,m,m-TKP, m,m,p-TKP, p,p,m-TKP und p,p,p-TKP in einem Konzentrationsbereich zwischen 0,5 und 1,7 % nachgewiesen (Megson et al. 2016). In neueren Untersuchungen zur Luftqualität in Verkehrsflugzeugen konnten ebenfalls keine ortho-Isomeren des TKP gefunden werden, während meta- und para-Isomeren lediglich in Spuren zu finden waren (< 1 µg/m3) (Solbu et al. 2011, Houtzager et al. 2014, Rosenberger 2018, Schuchardt et al. 2019). Da meta- und para-Isomeren des TKP auch in einer Boeing 787 Dreamliner, deren Luftversorgung nicht über Zapfluft aus den Turbinen erfolgt, in der Kabinenluft gemessen wurde (Schuchardt et al. 2019), scheint nicht nur das Zapfluftsystem Ursprung für einen Eintrag von meta- und para-Isomeren des TKP verantwortlich zu sein.
Phosphoserin-Addukt an der Butyrylcholinesterase (BChE) als Marker einer Tri-o-kresylphosphat-Exposition
Sofern ein TKP-Isomer zumindest eine ortho-Kresylgruppe aufweist, kann das TKP an der ortho-stehenden Methylgruppe des Cresolsubstituenten oxidativ hydroxyliert werden (Aldridge 1954) und unter Abspaltung einer anderen Cresolgruppe zu einem Kresyl-Saligeninphosphat, dem 2-(o/m/p-Kresyl)-4H-1,3,2-benzodioxaphosphoran-2-on (CBDP; CAS 1222-87-3) zyklisieren (Casida et al. 1961, Eto et al. 1962). CBDP stellt ein starkes Neurotoxin dar, inhibiert Acetylcholinesterase (AChE) sowie Butyrylcholinesterase (BChE) und reagiert mit der BChE an deren Serin-198-Position zu einem kovalent gebundenen Kresyl-Phosphoserin-Addukt unter Abspaltung der zyklisierten ortho-Kresylgruppe. Dieses Addukt altert, indem die noch vorhandene zyklisierte Kresylgruppe unter Ringöffnung als Saligenin abgespalten wird. Dabei entsteht ein Phosphoserin-Addukt an der Serin-198-Position der Butyrylcholinesterase. Dieses Phosphoserin-Addukt wurde von Liyasova et al. 2011 mit einer eigens entwickelten Methode bei 12 Passagieren, denen innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach einem Flug (ohne "Fume and Smell Event") Blut abgenommen wurde, untersucht. Dabei wurde Butyrylcholinesterase aus Serum oder Plasma isoliert, aufgereinigt und unter Verwendung von Pepsin verdaut. Anschließend wurde das durch den Verdau erhaltene phosphorylierte Peptid (FGEpSAGAAS) an Titandioxid angereichert und schließlich mittels MALDI-TOF/TOF-Massenspektroskopie semiquantitativ vermessen. In 6 der 12 untersuchten Proben konnte das phosphorylierte Peptid nachgewiesen werden. In den positiven Proben waren im Mittel zwischen 0,05 und 1 % der Butyrylcholinesterase des Plasmas entsprechend phosphoryliert, der Maximalwert lag bei 3 %. Vier der sechs positiv getesteten Personen gaben 3 bis 7 Monate nach ihrem letzten Flug eine erneute Blutprobe ab. In keiner dieser Proben konnte das Phosphoserin-Addukt noch nachgewiesen werden.
Das mit der Methode von Liyasova et al. bestimmte Addukt ist jedoch nicht hinreichend spezifisch, um sicher auf eine Exposition gegenüber ortho-Isomeren des TKP rückschließen zu können. Mit der Methode wird ein phosphoryliertes Peptid-Addukt vermessen, das keine Information mehr über das ursprünglich das Addukt bildende Organophosphat enthält. Neben o-TKP könnten beispielsweise auch Organophosphat-Pestizide mit Butylcholinesterase reagieren und ebenfalls ein solches Phosphoserin-Addukt bilden.
Mit der gleichen Methode untersuchten Tacal und Schopfer (2014) 15 gesunde, aktive Kampfflugzeugpiloten, deren Luftversorgung über Zapfluft erfolgte mit negativem Ergebnis auf das Phosphoserin-Addukt im Plasma. Piloten, die Krankheitssymptome im Zusammenhang mit dem Fliegen berichteten, wurden nicht untersucht.
Zwischenzeitlich wurde eine analytische Methode erarbeitet, mit der das o-Kresyl-Phosphoserin-Addukt der BChE, eine Vorstufe des oben genannten phosphorylierten Peptids, quantitativ erfasst werden kann (Johnson et al. 2015). Auch dieses Verfahren weist einen gewissen Mangel an Spezifität auf, da die mono-ortho-Isomeren lediglich meta- und/oder para-Kresyl-Phosphoserin bilden können und die Di-ortho-kresylphosphate neben meta- und/oder para-Kresyl-Phosphoserin nur anteilig auch ortho-Kresyl-Phosphoserin bilden. Mit diesem Verfahren ist somit kein direkter Rückschluss möglich, ob das gemessene o-Kresyl-Phosphoserin vom ToKP oder einem di-ortho-Isomer stammt. Ob diese Methode bei fliegendem Personal oder Flugreisenden bereits Anwendung gefunden hat, ist uns nicht bekannt.
Dikresylphosphate (DKP) im Urin als Marker einer Exposition gegenüber Trikresylphosphaten
In einer Studie des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft Verkehr (Schindler et al. 2013) wurden zwischen Herbst 2010 und Ende 2011 insgesamt 332 Flugbegleiter und Piloten von 51 Flügen rekrutiert. Die Besatzungsmitglieder hatten nach eigenem Bekunden ein "Fume and Smell Event" erlebt und gaben in Flughafennähe innerhalb von 12 Stunden nach dem Event eine Urinprobe bei beauftragten Ärzten ab. In den Urinproben wurden drei Metaboliten der Isomere der TKP (Di-o-kresylphosphat (DoKP), Di-m-kresylphosphat (DmKP), Di-p-kresylphosphat (DpKP) nach Festphasenextraktion und Derivatisierung mittels GC-MS/MS quantifiziert (Schindler et al. 2009 a,b). Mit diesen drei Metaboliten lassen sich mit Ausnahme des o,m,p-Trikresylphosphats alle weiteren 9 Trikresylphosphat-Isomeren quantitativ erfassen (Weiss et al. 2015). Als interne Standards für die TKP-Metaboliten dienten ringdeuterierte Analoga der Analyten (DmKP-d14, DpKP-d14).
In keiner der 332 Urinproben konnte ToKP in Form seines Metaboliten DoKP bei einer Nachweisgrenze von 0,5 µg/L Urin nachgewiesen werden. Eine Probe enthielt die Metaboliten DmKP und DpKP nahe der analytischen Nachweisgrenze, jedoch noch unterhalb der Bestimmungsgrenze. DmKP kann aus m,m,m-TKP (TmKP), m,m,p-TKP sowie m,m,o-TKP und DpKP aus p,p,p-KP (TpKP), p,p,m-KP sowie p,p,o-KP gebildet werden. Vor dem Hintergrund des lediglich noch in Spuren vorhandenen Gehaltes an ortho-Isomeren in modernem Triebwerksöl ist es unwahrscheinlich, dass der positive DmKP- und DpKP-Befund von einer Exposition gegenüber einem Mono-ortho-Isomer (o,m,m-TKP bzw. o,p,p-TKP) herrührt.
Die Dikresylphosphate zählen zu den Hauptmetaboliten von ToKP und TpKP im Urin (Ratten: Casida et al. 1961, Abou-Donia et. al. 1990, Kurebayashi et al. 1985; Katzen: Nomeir & Abou-Donia 1984; 1986a,b).
ToKP wird von Ratten nach oraler Gabe von 50 mg/kg Körpergewicht an ToKP zu etwa 63 % mit dem Urin eliminiert. Unter den Urinmetaboliten hat das DoKP einen Anteil von 3–4 Prozent, während das Mono-ortho-Kresylphosphat mit 75–80 % den größten Anteil unter den Urinmetaboliten ausmacht. Innerhalb der ersten 24 Stunden war der weit überwiegende Anteil eliminiert, 96 % nach 3 Tagen. ToKP selbst fand sich nicht im Urin (Abou-Donia et. al. 1990). Aus den vorliegenden Daten lässt sich abschätzen, dass innerhalb von 12 Stunden etwa 1 % der applizierten Dosis in Form von DoKP mit dem Urin ausgeschieden wird (Weiss et al. 2015).
Die Urinmetaboliten von TpKP werden in Abhängigkeit von der oral applizierten Dosis bei Ratten zu etwa 12 % (89,6 mg/kg KG) bzw. 41 % (7,8 mg/kg KG) mit dem Urin eliminiert, 70 % bzw. 83 % davon innerhalb der ersten 24 Stunden. Hauptmetaboliten im Urin waren ein an der Methylgruppe eines Cresolsubstituenten zur Carbonsäure oxidiertes TpKP und DpKP. Der Anteil des DpKP an den Urinmetaboliten wurde nicht ermittelt (Kurebayashi et al. 1985).
Unter der Maßgabe, dass zwischen Ratten und Menschen vergleichbare metabolische und kinetische Verhältnisse vorliegen, kann mit der Methode von Schindler et al. bei einer Nachweisgrenze von 0,5 µg/L für die TKP-Metaboliten noch eine aufgenommene Menge von etwa 25 µg an Trikresylphosphaten detektiert werden. Dies entspricht etwa 1/8 der inhalativen Exposition an ToKP, die innerhalb von 8 Stunden beim aktuellen „Threshold Limit Value“ (TLV: 20 µg/m3; ACGIH 2018) der American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH®) besteht, bzw. etwa 1/20 der Exposition bei den TLV für TmKP oder TpKP (jeweils 50 µg/m3; ACGIH 2018) (Weiss et al. 2015). Daraus lässt sich ableiten, dass es bei den von Schindler et al. 2013 untersuchten Flugbegleitern und Piloten durch die erlebten Ereignisse nicht zu einer Exposition gegenüber TKP-Isomeren gekommen ist, die oberhalb der entsprechenden von der ACGIH empfohlenen Arbeitsplatzgrenzwerte für ToKP, TmKP oder TpKP lag. Insofern ist die analytische Methode sensitiv genug, um toxikologisch relevante Expositionen gegenüber TKP erfassen zu können.
Di-aryl/alkylphosphate im Urin als Marker einer Exposition gegenüber Organophosphat-Flammschutzmitteln
In der Studie von Schindler et al. 2013 wurden neben den Metaboliten des TKP mit dem gleichen analytischen Verfahren die Urinproben auch auf die Dialkyl-/Diaryl-phosphat-Metaboliten der u.a. als Flammschutzmittel genutzten Organophosphate Tri-n-butyl-, Tri-(2-chlorethyl)-, Tri-(2-chlor-iso-propyl)- und Triphenylphosphat untersucht. Die Nachweisgrenzen lagen bei 0,2 µg/L für Dibutyl- und Diphenylphosphat und bei 0,1 µg/L für Di-(2-chlor-iso-propyl)- und Di-(2-chlorethyl)phosphat. Als interne Standards für die Dialkyl-/Diaryl-phosphat-Metaboliten dienten d10-ringdeuteriertes Diphenylphosphat und für die chlorierten Phosphate an den Alkylketten deuteriertes Di-(2-chlorethyl)phosphat-d8. Tri-n-butyl-, Tri-(2-chlorethyl)- und Triphenylphosphat, nicht jedoch Tri-(2-chlor-iso-propyl)-phosphat lagen beim fliegenden Personal leicht, aber signifikant höher (p<0.05) als in einem Kontrollkollektiv aus der Allgemeinbevölkerung (siehe Tabelle 1). Die Werte der Kontrollen stammen aus Schindler et al. 2009 a, b. Für Tri-n-butylphosphat wurde ein biologischer Arbeitsstoff-Referenzwert (BAR) als Maß für die Hintergrundbelastung der beruflich nicht exponierten Allgemeinbevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Höhe von 0,5 µg Di-n-butylphosphat pro Liter Urin abgeleitet. Etwas mehr als ein Viertel der untersuchten Flugbegleiter und Piloten wies Urinkonzentrationen oberhalb des BAR auf. Der BAR ist ein rein statistisch abgeleiteter Wert, orientiert sich am 95. Perzentil der Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung und ist ohne Bezug zu gesundheitlichen Effekten.
Die im Biomonitoring gemessenen Werte der Organophosphate inkl. TKP und deren Muster bei den Konzentrationen stehen in guter Übereinstimmung mit Luftmesswerten, wie sie in der Kabine und im Cockpit von Verkehrsflugzeugen gemessen wurden (Rosenberger 2018, Schuchardt et al. 2019).
Tabelle 1: Biomonitoringergebnisse (Median, 95. Perzentil) für Organophosphatmetabolite im Urin bei Flugbegleitern und Piloten sowie bei Flugzeugmechanikern aus den Studien von Schindler et al. 2013, 2014
µg/L Urin | Median (95. Perzentil) Kontrollen Allgemein-bevölkerung (N=30) |
Median |
Median (Bereich) Vorschicht |
Median (Bereich) Nachschicht |
Di-n-butylphosphat | < 0,2 (<0,2) | 0,28 (1,38) | 12,5 (10,6-37,2) |
23,5 (6,4-51,6) |
Di-(2-chlor-iso-propyl)-phosphat | < 0,2 (0,36) | 0,16 (1,22) | 0,2 (<0,1-0,3) |
0,20 (<0,1-0,3) |
Di-(2-chlorethyl)phosphat | < 0,1 (1,12) | 0,33 (6,32) | 0,50 (0,2-1,7) |
0,30 (0,2-0,5) |
Diphenylphosphat | 0,52 (1,71) | 1,10 (6,25) | 2,9 (0,9-7,4) | 3,5 (0,9-7,9) |
Di-o-kresylphosphat | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) |
Di-m-kresyl phosphat |
< 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) |
Di-p-kresylphosphat | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) | < 0,5 (< 0,5) |
In einer weiteren Studie untersuchten Schindler et al. (2014) 5 Mechaniker aus dem Bereich Flugzeugwartung auf die innere Belastung mit Trikresylphosphaten und Organophosphatflammschutzmitteln. Zum Vergleich dienten wiederum Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung (Schindler et al. 2009 a, b.). Die Techniker waren verantwortlich für die Wartung der Hydrauliksysteme und der Turbinen und hatten somit auch Umgang mit Triebwerks- und Hydraulikölen. Die Urinprobenahme erfolgte in der Mitte einer Arbeitswoche jeweils vor und nach der Arbeitsschicht. Die Urinproben wurden mit demselben Analysenverfahren wie bei den Flugbegleitern und Piloten bei Schindler et al. 2013 analysiert. In keiner der Proben konnten Metaboliten der Trikresylphosphate gefunden werden. In allen Proben waren hingegen die Dialkyl/arylphosphat-Metaboliten von Tri-n-butylphosphat, Triphenylphosphat und Tri-(2-chlorethyl)phosphat und in 70 % der Proben auch Tri-(2-chlor-iso-propyl)phosphat nachweisbar (siehe Tabelle 1). Die Urinkonzentrationen für die chlorierten Phosphate lagen im Bereich der Allgemeinbevölkerung bzw. nur leicht darüber. Ein signifikanter Anstieg über die Arbeitsschicht war bei den chlorierten Phosphaten nicht ersichtlich. Bei Triphenyl- und Tri-n-butylphosphat war hingegen ein signifikanter Anstieg ihrer Metaboliten im Urin zu verzeichnen. Auch lag die Konzentration bereits in den Vorschichtproben beim Triphenylphosphat wie auch beim Tri-n-butylphosphat über den Werten, wie sie bei den Kontrollen sowie den Flugbegleitern und Piloten nach erlebtem „Fume and Smell Event“ gemessen wurden. Das bei den Mechanikern gefundene Muster mit erhöhten Werten bei Dibutyl- und Diphenylphosphat ist plausibel vor dem Hintergrund der Hautgängigkeit (z.B. Eastman 2013) des in Hydraulikölen vorhandenen Tributyl- und Triphenylphosphats. Die untersuchten chlorhaltigen Organophosphate finden sich in der Regel nicht in Hydraulik- oder Triebwerksölen und wurden dementsprechend in den Biomonitoringuntersuchungen der Mechaniker auch nicht signifikant erhöht gemessen.
Aus Tierversuchen ist bekannt, dass Trialkyl/aryl-Phosphate vergleichsweise schnell verstoffwechselt und mit Urin, Ausatemluft und Faeces ausgeschieden werden. Dabei zählen die entsprechenden Dialkyl/aryl-Phosphate zu den Hauptmetaboliten im Urin. So schieden beispielsweise Wistar-Ratten, denen radioaktiv markiertes Tri-n-Butylphosphat oral und intraperitoneal verabreicht wurde, ca. 65–80 % der Radioaktivität innerhalb von 24 Stunden wieder aus. Di-n-Butylphosphat stellte dabei den Hauptmetaboliten im Urin dar und machte je nach Art der Verabreichung 13–29 % der applizierten Dosis aus (Suzuki 1984). Weitere Informationen zum Metabolismus und zur Toxikokinetik der Trialkyl/aryl-Phosphate finden sich in Tabelle 2. Für Triphenylphosphat liegen nach unserer Kenntnis in der Literatur keine entsprechenden Informationen vor.
Tabelle 2: Anteile der verabreichten Dosis an radioaktiv markierten Dialkyl/aryl-Phosphaten, die in Tierexperimenten innerhalb von 12 und 24 Stunden mit dem Urin ausgeschieden wurden
Applikation |
Elimination mit dem Urin |
Quelle |
||
12 h | 24 h | |||
Tri-n-butylphosphat | Ratte (oral; ip) |
40%; 65% | 50%; 80% | Suzuki 1984 |
Tri-(2-chlorethyl)phosphat | Ratte (oral) | 75% | 90% | Minegishi et al. 1988 |
Tri-(2-chlor-iso-propyl)phosphat | Ratte (oral) | 45% | 55% | Minegishi et al. 1988 |
Triphenylphosphat | - | - | - | - |
In einer weiteren Studie untersuchten Schindler et al. (2014) 5 Mechaniker aus dem Bereich
Für Tri-n-butylphosphat existiert ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) und eine Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) in Höhe von 11 mg/m3 und für Triphenylphosphat ein PEL (Permissible Exposure Limit) der US-amerikanischen OSHA (Occupational Safety and Health Administration) bzw. ein TLV der ACGIH in Höhe von 3 mg/m3. Vor dem Hintergrund der Biomonitoringmesswerte, die maximal im ein- bis zweistelligen µg/L-Bereich lagen, wird unter Berücksichtigung der vorliegenden Informationen zu Metabolismus und Kinetik deutlich, dass weder die Flugzeugmechaniker noch die Flugbegleiter und Piloten in Höhe der genannten Arbeitsplatzgrenzwerte exponiert waren.
Flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (VOC)
Als weitere mögliche Auslöser der nach „Fume Events“ berichteten Beschwerdebilder werden nach einem Vortrag Heutelbeck, Budnik und Baur auf den Ramazzini Days 2016, Carpi, Italien (Heutelbeck et al. 2016) in letzter Zeit auch flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (VOC) diskutiert, insbesondere solche mit neurotoxischem Potenzial wie n-Hexan und Toluol. Die Autorengruppe berichtete über 11 von einem solchen Ereignis betroffene Personen, bei denen man nach Blutprobennahme in einem Zeitraum bis maximal 24 Stunden nach dem Ereignis zwischen ca. 10 und 125 µg n-Hexan pro Liter Blut mittels Headspace-Analyse (Dampfraum-Analyse) gemessen hatte. Mehrere Tage nach dem Ereignis fanden sich bei diesen Personen lediglich noch n-Hexan-Konzentrationen von weniger als 40 µg/L Blut. Bei einer Person lag der Wert mehrere Tage nach dem Ereignis hingegen höher als in der Probe, die innerhalb von 24 Stunden gewonnen wurde. Bei 12 Kontrollpersonen ohne Flugtätigkeit fanden sich n-Hexan-Konzentrationen durchweg unterhalb von 10 µg/L Blut. Neben n-Hexan wurden auch Daten zu n-Heptan, n-Oktan, n-Decan und iso-Pentan vorgestellt. Bei diesen Parametern lagen in den Proben bis 24 Stunden nach Ereignis ebenfalls höhere Werte vor als bei denselben Personen mehrere Tage nach dem Ereignis und als bei den Kontrollpersonen. Weiterhin wird berichtet, dass bei 162 von einem „Fume Event“ Betroffenen nach dem Ereignis im Vergleich zu Referenzwerten im Mittel erhöhte Werte für die bereits genannten VOC sowie für Toluol, 2-Butanon und 2-Heptanon gefunden wurden. Die Autoren des Vortrags schließen aus ihren Untersuchungen, dass die bei den betroffenen Personen erhobenen klinischen Befunde vor dem Hintergrund des toxischen Einwirkpotenzials der VOC auf das periphere und/oder zentrale Nervensystem und den Respirationstrakt plausibel sind (Heutelbeck et al. 2016).
Zur Beurteilung der VOC-Biomonitoring-Messwerte liegen derzeit keine Referenzwerte des Umweltbundesamtes oder der MAK-Kommission für VOC in Blut oder Urin vor. Vereinzelt sind jedoch Grenzwerte in biologischem Material wie für Toluol (BAT 600 µg/L Blut), 2-Propanol (BAT 25 mg/L Blut oder Urin als Aceton) und Aceton (BAT 80 mg/L Urin als Aceton) abgeleitet worden. Für (unverändertes) n-Hexan im Blut oder Urin liegt aktuell kein Arbeitsplatzgrenzwert vor, der zur Beurteilung der von Heutelbeck, Budnik und Baur gemessenen Werte von n-Hexan im Blut herangezogen werden könnte. Allerdings besteht ein AGW bzw. MAK-Wert in Höhe von 180 mg/m3, sodass es wenig plausibel erscheint, dass bei den von Heutelbeck et al. bis in den unteren dreistelligen µg/L-Bereich gemessenen n-Hexan-Blut-Konzentrationen mit (neuro-) toxischen Effekten zu rechnen ist. Für den n-Hexanmetaboliten 2,5-Hexandion wurde hingegen ein BGW- bzw. BAT-Wert in Höhe von 5 mg/L Urin abgeleitet. Informationen darüber, ob Heutelbeck, Budnik und Baur zusätzlich auch diesen Parameter bei den „Fume and Smell Event“ Betroffenen gemessen haben, liegen uns nicht vor.
Die valide Bestimmung von VOC im Blut mittels Biomonitoring ist aus analytisch-chemischer Sicht nicht trivial. VOC werden zumeist in unveränderter (unmetabolisierter) Form mittels der sog. Headspace-Technik (Dampfraumanalyse) in Blut und teilweise auch Urin quantitativ bestimmt. Die präanalytische Phase hat insbesondere bei Headspace-Analysen einen erheblichen Einfluss auf die Richtigkeit der analytischen Bestimmung und umfasst alle Arbeitsschritte vor der eigentlichen Probenaufarbeitung und Analyse im Labor. Dazu zählen neben der Auswahl eines geeigneten Biomarkers und seiner Matrix, der Probenahmezeitpunkt, die Vorbereitung des für die Probenahme notwendigen Materials, die Probenahme, die Zwischenlagerung sowie der Transport ins Labor und die Lagerung im Labor bis zur Aufarbeitung und quantitativen Analyse. Grundsätzlich sind für die präanalytische Phase Einflussfaktoren und Störgrößen zu berücksichtigen.
Einflussfaktor Probenahmezeitpunkt
VOC weisen zumeist sehr kurze Eliminationshalbwertszeiten aus dem Blut auf. n-Hexan beispielsweise wird 2-phasig aus dem Blut eliminiert: Mit einer Eliminationshalbwertszeit von lediglich 12 Minuten in der ersten Phase und einer Eliminationshalbwertszeit von etwa 1,5 – 2h in der zweiten Phase (DFG 1997). Auch Toluol wird rasch in einer mehrphasigen Kinetik aus dem Blut eliminiert. Nach einer initialen Phase mit einer Halbwertszeit im Bereich von 30 Minuten schließt sich eine zweite Phase mit etwa 7,5 Stunden an, sodass 24 Stunden nach Ende der Exposition Toluol nahezu vollständig eliminiert ist (DFG 1996). Für die valide Erfassung von VOC-Belastungen ist daher der Probenahmezeitpunkt von elementarer Bedeutung. Es steht somit für das Biomonitoring von unveränderten VOC im Blut mittels Headspace-Technik nur ein vergleichsweise enges Zeitfenster nach Exposition zur Verfügung. Idealerweise findet die Probenahme unmittelbar nach Expositions- bzw. Schichtende statt. Dass die Blutproben bei Heutelbeck, Budnik und Baur bis 24 Stunden nach einem Ereignis gewonnen wurden, erschwert die Interpretation der gemessen Werte erheblich.
Störgrößen
Störgrößen können sich sowohl erhöhend als auch erniedrigend auf das Analysenergebnis auswirken. Dies hat falsch zu hohe bzw. falsch zu niedrige Messergebnisse zu Folge. In Vorbereitung auf eine Studie, in der u.a. die innere Belastung mit VOC im Blut von Flugbegleitern durch Flugbegleiter und Piloten mittels Headspace-Analytik ermittelt werden soll (siehe unten), wurden folgenden Störgrößen ermittelt:
Um die möglichen Störgrößen und deren Einfluss auf das Analysenergebnis zu prüfen, wurde Schafsblut mit VOC dotiert und für bis zu 50 Tage in 3 gängigen Blutentnahmesystemen bei 37°C, Raumtemperatur, 4°C und –20°C gelagert (Koslitz et al. 2018). Zur Kontrolle dienten verschraubbare ausgeheizte Headspace-Gläser. Die Analyse der VOC erfolgte mittels einer hoch sensitiven und spezifischen Headspace-Methode (SPME-HS-GC-MS/MS).
Bei den Systemen mit Butyl-Kautschuk-Stopfen (Vacutainer®, Vacuetten®) konnte in Abhängigkeit von Lagerungstemperatur und -dauer ein Anstieg der n-Hexan-Konzentration im Einzelfall um bis zu 400 μg/L beobachtet werden. Die Lagerung in Monovetten® zeigte hingegen selbst bei einer Temperatur von –20°C einen leichten, jedoch mit der Zeit steten Rückgang der Konzentration. Die Konzentration von n-Hexan in den gasdicht verschraubten Headspace-Gläsern blieb hingegen zumindest 14 Tage unter allen Temperaturbedingungen konstant.
Die Untersuchungen zeigten, dass bei Abnahme und Lagerung von Blutproben in Vakuum-Blutentnahmeröhrchen relevante Mengen n-Hexan aus dem Butyl-Kautschuk-Stopfen in die Probe gelangen und so zu falsch zu hohen Analyse-Werten führen. Monovetten sind zwar nicht mit n-Hexan kontaminiert, ihre Lagerung führt jedoch zu einer Konzentrationsabnahme und damit zu falsch zu niedrigen Werten. Eine Lagerung der Blutproben bei Raumtemperatur in gasdichten Headspace-Gläsern über mehrere Wochen war hingegen nicht mit einer Konzentrationsabnahme verbunden. Zur validen quantitativen Analyse von VOC in Blut oder Urin ist das Probenahmematerial hinsichtlich der Zielanalyten sorgfältig auf Kontaminationsfreiheit zu prüfen. Zudem hat der Probentransfer unmittelbar nach Probengewinnung in gasdichte Headspace-Gläser zu erfolgen (Koslitz et al. 2018). Dies macht deutlich, dass die Probenahme sowie die gesamte präanalytische Phase erheblichen Einfluss hat auf die Richtigkeit des Analysenergebnisses und daher strengstens zu kontrollieren ist. Daher ist unabdingbar, die Probenahme für VOC-Headspace-Analysen nach einem streng einzuhaltenden Protokoll durchzuführen, um die Einflussfaktoren und Störgrößen beherrschen zu können. Probenmaterial, von dem nicht bekannt ist, wie es gewonnen und anschließend gelagert wurde, birgt die erhebliche Gefahr, falsch zu hohe oder falsch zu niedrige Messergebnisse zu erhalten, die zu falschen Schlussfolgerungen führen können.
Ausblick
Vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten möglichen stofflichen Auslöser der nach „Fume and Smell Events“ berichteten Beschwerden hat die Berufsgenossenschaft Verkehr Mitte des Jahres 2017 ein Untersuchungsprogram für von solchen Ereignissen betroffene Flugbegleiter und Piloten gestartet. Nach einem aufgetretenen Ereignis können sich betroffene Flugzeugbesatzungen unmittelbar nach der Landung an einem deutschen Flughafen von einem für dieses Projekt ausgesuchten Durchgangsarzt untersuchen lassen. Dabei werden auch Blut- und Urinproben für ein Biomonitoring auf Organophosphate und VOC gewonnen. Das Human-Biomonitoring erfolgt dabei durch das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) im Rahmen einer Studie (Registrier-Nr. der Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum: 18-6377). Da die Analyse der VOC in Blut und Urin mittels der sog. Headspace-Technik erfolgt, sind die oben bereits genannten besonderen Maßnahmen im Rahmen der präanalytischen Phase und bei der Probengewinnung notwendig. So wurden sämtliche Probenahmematerialien ebenso wie das Desinfektionsmittel für die Blutabnahme im Vorfeld des Projekts auf Kontaminationen mit den zu analysierenden Substanzen untersucht, um falsch zu hohe Messergebnisse auszuschließen. Darüber hinaus werden unmittelbar nach Probengewinnung noch vor Ort Aliquote von Blut und Urin in gasdichte Spezialgläschen überführt und die Proben noch am Untersuchungstag mit einem Kurier über Nacht zum IPA nach Bochum verschickt. Um einen reibungslosen Ablauf der komplexen Probenahmen gewährleisten zu können, wurden jeweils für einen Probanden Kits zusammengestellt und an die Durchgangsärzte an 12 deutschen Flughäfen verschickt. Die Kits enthalten neben diversem Informationsmaterial sämtliche benötigte Materialien für die komplette Probenahme bei einem einzelnen Probanden und den sicheren Rückversand an das IPA.
Es wird erwartet, dass sich während der Rekrutierungsphase, die voraussichtlich noch im Jahr 2020 abgeschlossen sein wird, etwa 300–400 Flugbegleiter und Piloten untersuchen lassen. Betroffenes Flugpersonal kann sich in einem Zeitfenster zwischen drei und acht Stunden nach einem aufgetretenen Ereignis an den folgenden Flughäfen in einer nahegelegenen Klinik zur Untersuchung bei einem Durchgangsarzt vorstellen und am Biomonitoring teilnehmen. Dies ist aktuell möglich an den Flughäfen von Berlin (Tegel und Schönefeld), Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, Leipzig, München und Nürnberg.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Es liegen derzeit nur wenige aussagekräftige Biomonitoring-Untersuchungen nach „Fume and Smell Events“ vor, die zudem teilweise noch nicht im internationalen Schrifttum publiziert sind, sondern bislang nur auf Tagungen oder Kongressen vorgestellt wurden. Auslösende Noxen, die die nach "Fume and Smell Events" von Flugbegleitern und Piloten berichteten ernsthaften gesundheitlichen Beschwerden erklären könnten, wurden bislang nicht identifiziert. Nach derzeitigem Erkenntnisstand erscheint es unwahrscheinlich, dass Trikresylphosphate und insbesondere deren hoch neurotoxischen ortho-Isomeren (aus Triebwerksölen), Organophosphorverbindungen aus Hydraulikölen sowie im Inneren von Flugzeugen als Flammschutzmittel verwendete Organophosphate in einem Zusammenhang mit den berichteten Beschwerden stehen. Dies wird gestützt durch Materialuntersuchungen an Triebwerks- und Hydraulikölen sowie Luftmessungen in Kabine und Cockpit. Inwieweit es bei solchen Ereignissen zu relevanten Expositionen gegenüber VOC, insbesondere auch solchen mit neurotoxischem Potenzial wie n-Hexan oder Toluol kommt, wird aktuell in einer von der BG Verkehr initiierten Biomonitoring-Studie am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) geprüft.
Darüber hinaus erscheint es für die weitere Ursachenforschung hilfreich, die unter dem Begriff „Fume and Smell Events“ subsummierten Ereignisse möglichst hinsichtlich ihrer technischen Ursache zu kategorisieren und anhand der aufgetretenen gesundheitlichen Beschwerden zu differenzieren. In zeitnah nach dem Ereignis gewonnenen Bioproben könnte so zielgerichteter nach stofflichen Auslösern gesucht werden, ohne dass gesundheitlich nicht relevante Geruchsereignisse eine Identifizierung von Ereignissen mit stofflich relevanten Expositionen erschweren bzw. stören.
Der komplette Beitrag mit Literaturangaben und Abbildungen ist in der Zeitschrift Umweltmedizin - Hygiene - Arbeitsmedizin 25 (1) 7-15 erhältlich.
Zitierweise:
Weiß T, Koslitz S, Bünger J, Brüning T (2020). Human-Biomonitoring nach „Fume and Smell Events“ in Verkehrsflugzeugen – Eine Übersichtsarbeit zum aktuellen Zwischenstand. Umweltmed - Hygiene - Arbeitsmed 25 (1) 7-15
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