V. Faust
Den kompletten Artikel können Sie in unserem Kompendium "Psychische Störungen heute" nachlesen.
Wenn man von fanatischen Menschen hört oder liest, dann sind es entweder primär expansive Ideen-Fanatiker oder sekundär mitgerissene, angesteckte Teil-Fanatiker. Ob essentiell oder induziert, es kommt jeweils zu einer stoßkräftigen, auf Allgemeingültigkeit hin orientierten religiösen oder politischen Bewegung, oft zu einem fanatischen Massen-Phänomen.
Eine weit geringere Außenbedeutung haben dagegen Einzel-Fanatiker, die nur für ihre persönliche, rein individuelle Überzeugung leben und die auch nur in einem kleinen Umkreis bekannt und wirksam sind. Dennoch lassen sich auch an ihnen – trotz der eher weniger bedrohlichen Gefährlichkeit – die typischen Merkmale fanatischer Strukturen und Verhaltensweisen aufzeigen.
Wenn man sie näher charakterisiert, sind sie am ehesten den aktiven, persönlichen Interessen-Fanatikern und den stillen, introvertierten Überzeugungs-Fanatikern zuzuordnen. In beiden Fällen – so Professor Dr. G. Hole in seinem Buch Fanatismus. Der Drang zum Extrem und seine psychischen Wurzeln – handelt es sich im Allgemeinen um "Interessen", aber auch um "Überzeugungen". Dabei gilt es jedoch die inneren Schwerpunkte zu erkennen:
In beiden Fällen spielen bei den meisten fanatischen Ausprägungen so genannte "überwertige Ideen" eine Rolle. Darunter verstehen die Psychiater Einstellungen von abnormer Intensität und Bedeutung mit starker emotionaler Übergewichtigkeit und Einseitigkeit.
Zur Gruppe der aktiven Interessen-Fanatiker gehören vor allem die typischen "Gerechtigkeits-Fanatiker" und "Wahrheits-Fanatiker". Das Charakteristische bei ihnen liegt in einer unverkrafteten persönlichen Kränkung oder Beeinträchtigung, die dann zu einer enormen, ja geradezu abnormen fanatischen Gegenreaktion führt.
Ein besonderes Problem liegt noch in der häufig vorkommenden Situation, dass das verletzte persönliche Interesse gleichzeitig Ausdruck eines ideellen Wertes ist. Und dies verleiht dem Vorgang dann seine besondere subjektive Gewichtigkeit und gleichzeitig Grundsätzlichkeit.
In der zweiten Gruppe individueller Fanatiker, nämlich der der stillen Überzeugungsfanatiker vom meist introvertierten Struktur-Typ, finden sich oft äußerst unterschiedliche Formen. Einige davon sollen nachfolgend detaillierter dargestellt werden. Dazu gehören
Ihr gemeinsames Merkmal ist die Radikalität und Unbeugsamkeit in der persönlichen Einstellung. Einmal abgesehen von der schwer klärbaren Frage, was unter dem Merkmal „still“ und „introvertiert“ eigentlich zu verstehen ist, und dann noch innerhalb des Fanatismus-Spektrums, bleibt vor allem das Problem der inneren und äußeren Dynamik, nämlich: Handelt es sich hier letztlich nicht auch um einen fanatisch-aggressiven Aktionismus?
Dies wird vor allem beim "Sport-Fanatismus" besonders deutlich. Das kann man inzwischen bald jeden Tag aus den Sportseiten der Tageszeitungen entnehmen, und zwar nicht nur bei den "eher einfach strukturierten Vereins mitgliedern in der Ost-Kurve". Interessant, ja folgenschwer wird es bei den "stillen" religiösen Fanatikern, besonders wenn sie sich in ihrer stillen Gewissheit und in ihrem an sich pietistischen (= Seelenfrieden durch tadellose Lebenshaltung bzw. in religiöser Hinsicht durch Ergebung in Gottes Willen) Lebensvollzug bedroht sehen und dann eine unbeugsame Überzeugungstreue und einen passiven Kampf bis hin zur Todesbereitschaft entwickeln. So ist es – nach Hole – nicht verwunderlich, dass sich bei einem Teil der Märtyrer derartige fanatische Züge finden.
Zitierweise:
Faust V (2021). Individuelle Fanatiker. In: Faust V. Psychische Störungen heute, 74. Erg.-Lfg., Landsberg: ecomed Medizin
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