B. Pesch, B. Schmidt, H.E. Wichmann
Abstract aus dem Handbuch der Umweltmedizin:
Seit dem 2. Weltkrieg hat sich das Lungenkarzinom weltweit zur häufigsten Krebstodesursache bei Männern entwickelt, und für Frauen zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab. Während in Deutschland bei Männern die Lungenkrebsinzidenz mit rund 35 000 Neuerkrankungen pro Jahr auf sehr hohem Niveau liegt, mit leicht fallender Tendenz seit den 1980er Jahren, steigt die Inzidenz bei Frauen (derzeit mehr als 19 000 Neuerkrankungen pro Jahr) weiter an. In Europa haben nur 2–3 % der männlichen Lungenkrebspatienten nie geraucht, wobei Rauchen für rund 90 % aller Lungenkrebserkrankungen verantwortlich ist. Im Mittel beträgt das relative Lungenkrebsrisiko durch Rauchen im Vergleich zu Nierauchern bei Männern 23,6 und bei Frauen 7,8. Bei Männern, die stark geraucht haben, kann das Risiko für das Plattenepithelkarzinom und das kleinzellige Karzinom mehr als 100-fach erhöht sein. Es zeichnet sich weltweit ein Anstieg des Adenokarzinoms ab, die relativ häufiger bei Frauen und, wenn auch insgesamt sehr selten, bei Nierauchern auftreten.
Auch zahlreiche Noxen in der Arbeitswelt können bei chronisch hoher Exposition zu Lungenkrebs führen. Bekannte berufliche Karzinogene wie Asbest und Passivrauchen am Arbeitsplatz sind verboten, und Industriezweige mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko, wie Kokereien und der Uranerzbergbau, sind stark rückläufig oder eingestellt worden. Historische Risikofaktoren, wie Asbest oder Strahlenexposition
im Uranerzbergbau, sind jedoch aufgrund der Latenzzeit auch heute noch die häufigsten Ursachen von
beruflich bedingtem Lungenkrebs. Zum Schutz der Arbeitnehmer vor krebserzeugenden Stoffen wurde
2004 die „EU-Krebsrichtlinie“ 2004/37/EG verabschiedet, um durch Grenzwerte im Niedrigdosisbereich
und geeignete Schutzmaßnahmen beruflich bedingte Krebsfälle weitestgehend vermeiden zu können.
Herausforderungen für den Arbeitsschutz stellen dabei häufig vorkommende, nicht durch andere
Stoffe substituierbare Expositionen, z. B. Quarzfeinstaub und Schweißrauch, dar. Passivrauchen, die Inhalation von Radon in geschlossenen Räumen und allgemeine Luftverunreinigungen erhöhen das relative Erkrankungsrisiko, im Mittel um den Faktor 1,1 bis höchstens 1,5, wobei die Zahl Exponierter aber erheblich höher ist als am Arbeitsplatz. Für viele Risikofaktoren ist es schwierig, den Effekt im Vergleich zum Rauchen, das meist nur durch Selbstangabe erhoben wird, zuverlässig abzugrenzen.
Da das Lungenkarzinom eine sehr komplexe Erkrankung ist, erfordern Diagnostik und Therapie ein nach
Subtyp differenziertes Vorgehen. Dabei spielen molekulare Marker für die histologische Klassifikation
und als therapeutische Angriffspunkte, insbesondere beim besser behandelbaren Adenokarzinom, eine zunehmende Rolle. Trotz erheblicher therapeutischer Fortschritte sind die Überlebenschancen immer noch sehr gering.
Die Mehrzahl aller Neuerkrankungen könnte jedoch durch eine konsequentere Bekämpfung des Rauchens vermieden werden. Bereits kurze Zeit nach Beendigung des Rauchens sinkt das Lungenkrebsrisiko, erreicht allerdings auch nach langer Zeit nicht das sehr geringe Lungenkrebsrisiko der Nieraucher.
Zitierweise:
Pesch B, Schmidt B, Wichmann HE (2019). Lungenkrebs. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg): Handbuch der Umweltmedizin, Kap. V-1.3.4, 64. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg
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