H. Fromme, C. Hartmann
Abstract aus dem Handbuch der Umweltmedizin:
Bei den Phthalaten handelt es sich um die Diester der Phthalsäure (1,2-Benzoldicarbonsäure). Sie kommen in der Natur nicht vor, sondern sind anthropogene chemische Substanzen, die in erster Linie als Weichmacher eingesetzt werden. Sie bestehen aus einem Benzolring mit zwei unterschiedlich langen Kohlenstoffseitenketten. Sie werden weltweit jährlich in einigen Millionen Tonnen produziert und sollen Gebrauchseigenschaften wie Flexibilität, Formungsvermögen und elastischen Eigenschaften von Kunststoffmaterialien, Lacken und Klebern erhöhen. Der häufigste Einsatzbereich erfolgt in Weich-PVC-Produkten. Typische Phthalate enthaltende Produkte sind unter anderem Baumaterialien, Boden- und Wandbeläge, Kabel, Bekleidung,Möbel, Autoinnenausstattungen, Spielzeug und Lebensmittelkontaktmaterialien. Außerdem lassen sie sich in medizinischen Anwendungen wie Blutkonserven, Infusionsschläuchen und Kathetern sowie in Hygieneartikeln und Kosmetika finden.
Aufgrund ihres vielfältigen Einsatzes lassen sie sich mittlerweile ubiquitär in der Umwelt finden. Die wesentliche Aufnahmequelle für Phthalate ist der Nahrungsmittelpfad. Unter bestimmten Bedingungen können aber auch die Innenraumluft und der sedimentierte Hausstaub, z. B. bei Kleinkindern, von Bedeutung sein. Aufgrund ihres Einsatzes in Kosmetika muss für kürzerkettige Phthalate eine dermale Aufnahme berücksichtigt werden. Auch im Rahmen medizinischer Anwendungen wie der intensivmedizinischen Behandlung von Neu- und Frühgeborenen und einer längerfristigen Hämodialyse muss mit einer erhöhten Exposition gerechnet werden.
Nach Inhalation oder oraler Zufuhr werden Phthalate gut resorbiert und schnell zu den primären Metaboliten (Monoestern) bzw. den sekundären Metaboliten abgebaut und im Urin ausgeschieden. Daher eignet sich das Human-Biomoniotoring der Phthalatmetabolite im Urin sehr gut zur Abschätzung der Exposition und zur Rückrechnung der aufgenommenen Phthalatmenge. Im Tierexperiment wirken Phthalate in Langzeitstudien insbesondere leber- und nierentoxisch. Der bedeutsamste Effekt sind Wirkungen auf die Reproduktion durch Beeinflussung der Sertoli- und Leydigzellen sowie der Testosteronproduktion. Aus epidemiologischen Studien gibt es Hinweise auf Effekte auf die Geschlechtsentwicklung und die Schilddrüse.
Auch wenn insgesamt die Belastung mit Phthalaten rückläufig ist, haben insbesondere Kinder derzeit noch eine zu hohe Belastung.
Zitierweise:
Fromme H, Hartmann C (2017). Phthalate. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg): Handbuch der Umweltmedizin, Kap. VI-4, 58. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg
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