G. Fischer
Ärzte, Psychotherapeuten und Zahnärzte betreiben als Freiberufler ärztlich geleitete Wirtschaftsunternehmen.
Steht die Übergabe eines solchen Unternehmens an einen Nachfolger an, stellt sich automatisch die Frage nach dem Wert der zu übernehmenden bzw. abzugebenden Praxis, ausgedrückt in Geld.
In jedem Fall wird ein potenzieller Nachfolger die betriebswirtschaftlichen Daten der Praxis zur Entscheidungsfindung benötigen.
Um den Wert einer Praxis zu ermitteln, ist somit entweder die Offenlegung der wirtschaftlichen Situation der Praxis durch aussagefähige Unterlagen notwendig (z.B. die drei letzten Jahresabschlüsse, aktualisierte Abschreibungsliste des Anlagevermögens und die letzten acht Honorarabrechnungen). Alternativ kann ein Praxiswertgutachten1 erstellt werden.
Häufig tritt das Problem auf, dass der Praxisabgeber ungern Einblick in die wirtschaftliche Situation der Praxis gewährt und der potenzielle Übernehmer mit dem zur Verfügung gestellten Zahlenmaterial kaum etwas anfangen kann und zur Interpretation fach- und sachkundige Unterstützung benötigt.
Gerade die Analyse der Honorarbescheide ist eine besondere Schwierigkeit für Personen, die sich nicht im Honorarabrechnungssystem im niedergelassenen Bereich und somit auch mit dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) nicht detailliert auskennen.
Eine Feststellung des Praxiswertes wird jedoch nicht nur im Falle einer Praxisabgabe, sondern auch beim Eingehen von Kooperationen notwendig werden, um die von den verschiedenen Partnern der zukünftigen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) eingebrachten Werte zu vergleichen.
Dabei sind immer die unterschiedlichen Interessenlagen von Veräußerer und potenziellem Käufer zu berücksichtigen. So möchte der bisherige Praxisinhaber nicht nur Geräte und Praxis abgelöst bekommen, sondern auch einen Gegenwert für seine bisherige Arbeit und den Aufbau des Patientenstamms sowie des guten Rufs der Praxis (Lebenswerk) realisieren. Ein Käufer möchte nicht zu viel für die zu übernehmende Praxis bezahlen, da durch die Praxiseinnahmen auch eine Refinanzierung des Investments in absehbarer Zeit zu realisieren ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass es sich nicht um einen freien Markt handelt, bei dem Angebot und Nachfrage das Geschehen regeln, sondern um ein durch die Sozialgesetzgebung (SGB V) und die Berufsordnung stark regulierten Bereich.
Daher ist der Marktwert einer Praxis auch von aktuellen Entwicklungen des Gesundheitsmarktes, der Fachrichtung und der Lage (Oberzentrum oder Landarztpraxis?) abhängig.
Gibt es mehr Anbietende als potenzielle Käufer, handelt es sich um einen reinen Käufermarkt.
Ist das Angebot künstlich verknappt (z.B.: durch „Niederlassungssperren“ im Rahmen der Bedarfsplanung) haben die Verkäufer bessere Chancen, höhere Preise zu erzielen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass Arzt- und Zahnarztpraxen Dienstleistungsbetriebe besonderer Art sind. Personengebundenheit und Begründung auf einem intakten Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sind entscheidende Kriterien, die beim Praxisübergang nicht mit verkauft werden können.
Im Buch finden Sie weitere Erläuterungen zum Praxis-Gesamtwert, Substanzwert oder materiellen Wert sowie unterschiedliche Bewertungshilfen - z.B. durch Sachverständige u.a.
Zitierweise:
Fischer G (2020): Die Arztpraxis - Praxisabgabe, Praxisnachfolge, ecomed Medizin, Landsberg
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